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Henrik Kacser

Mittwoch, den 12.02.2014

Raubgut

Die erste Spur

Der "Zufallsfund" im Altbestand

Volker Cirsovius-Ratzlaff

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die einen schnellen Erfolg der Restitution aufschieben können. Bereits zu Beginn des Projektes NS-Raubgut an der Stabi wurde der Besitzvermerk Heinrich Kácser in einem Buch gefunden. Erste Recherchen führten leider zunächst ins Leere.

Erst der zweite Fund eines Buches im Sommer 2013 führte zu einem Durchbruch und zu einer erfolgreichen Restitution. Was war also geschehen? Bei der Überprüfung der Altbestände der SUB war uns ein Buch mit einer Widmung für Henrick Kacser aufgefallen.

Der Nachname war ungewöhnlich genug, um hier einen Zusammenhang mit dem Besitzvermerk aus dem ersten Fund zu vermuten. Wie sich herausstellte, lagen wir damit richtig und ermittelten, dass hinter dieser Provenienz ein durchaus angesehener britischer Biochemiker steckte.

Henrik Kacser - wie er sich später nannte - wurde am 22. September 1918 in Rumänien als Heinrich Kacser geboren. Sein Vater Soma arbeitete dort während des Ersten Weltkrieges für die Deutsche Erdölaktiengesellschaft. Kurz nach der Geburt von Henrik zog die Familie zum Firmenhauptsitz nach Berlin. Dort verbrachte Henrik Kacser den Großteil seiner Jugend. Kurz vor seinem Schulabschluss zog die Familie nach Hamburg, wo er sein Abitur ablegte. Henrik Kacser wanderte kurze Zeit später nach Belfast in Nordirland aus, wo bereits seine Schwester lebte und als Sprachlehrerin arbeitete. Ab 1937 studierte er an der Queens Universität chemische Technologie. 1939 besuchte die Mutter ihre beiden Kinder in Belfast. Durch den Kriegsausbruch konnte sie nicht mehr nach Hamburg zurückkehren und überlebte so den Krieg. Henriks Vater Soma Kacser blieb in Hamburg zurück. Ob er ebenfalls versucht hatte, nach Großbritannien zu gelangen, ist nicht bekannt. Bis 1943 konnte die Familie noch durch Briefe den Kontakt halten, aber im Juni wurde der Vater über Theresienstadt in das KZ Auschwitz deportiert, wo er 1944 ermordet wurde.

Die zwei bei uns gefundenen Bücher wurden 1943 von der Gestapo Hamburg der Stabi als „Geschenk“ übergeben. Vermutlich hatte Henrik Kacser sie bei seinen Eltern in Hamburg zurückgelassen und nach der Deportation von Soma Kacser wurden sie beschlagnahmt und an die Stabi abgegeben.

Henrik Kacser nahm nach dem Krieg die britische Staatsangehörigkeit an und wechselte 1952 an die Universität von Edinburgh, wo er weiter erfolgreich in der Forschung tätig war. Seine Leistungen in der Chemie wurden unter anderem 1993 mit einer Ehrendoktorwürde der Universität Bordeaux gewürdigt und an der Universität von Edinburgh wurde ein Lehrstuhl nach ihm benannt, der auch heute noch besteht. Im Mai 1995 verstarb er in Edinburgh.

Im Herbst 2013 konnten wir mit Hilfe der Universität von Edinburgh die noch lebende Witwe von Henrik Kacser kontaktieren und ihr nun im Januar dieses Jahres die beiden Bücher ihres Mannes zusenden. In ihrem Antwortschreiben an Frau Prof. Dr. Beger richtete sie Ihren Dank an alle Mitarbeiter der Stabi, die hier im Hause das Projekt unterstützen:

„You can imagine that it is with some emotion that I received and unwrapped these items, knowing their history.

I am most grateful to you all in the library for undertaking this task and I hope you have many more successes in finding owners of Nazi-looted property.”

 

Kontakt:

Arbeitsstelle Provenienzforschung - NS-Raubgut


Anneke de Rudder / Dr. Wiebke von Deylen
Wiss. Mitarbeiterin / Kommissarische Leitung
E-Mail: nsraubgut@sub.uni-hamburg.de
Telefon: +49 40/42838-3348 / -2225
Telefax: +49 40/42838-3352