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Hamburg, Carl von Ossietzky

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Ein doppeltes Geburtstagsgeschenk

Freitag, den 30.11.2012

Raubgut

Im November Jahres konnten wir erneut ein Buch restituieren, eine Gedichtsammlung von Heinrich Heine.

Die Vorbesitzerin Hannelore Heckscher, bekam es am 28. April 1936 zu ihrem 14. Geburtstag geschenkt.

NSR X 1336: 57: : Kraft, Werner: Heine Gedicht und Gedanke, Berlin 1936.

Im November Jahres konnten wir erneut ein Buch restituieren, eine Gedichtsammlung von Heinrich Heine.
Die Vorbesitzerin Hannelore Heckscher, bekam es am 28. April 1936 zu ihrem 14. Geburtstag geschenkt. Sie war die jüngste Tochter des in Hamburg bekannten Rechtsanwalts Dr. Caesar Heckscher. Ihre beiden Schwestern hatten Deutschland bereits verlassen. Sie aber lebte weiter mit bei ihrem Vater in Hamburg.


Ihr Vater, Caesar Heckscher, führte eine Anwaltskanzlei und gehörte bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten zum angesehenen Bürgertum Hamburgs. Doch auch seine zahlreichen Kontakte im In- und Ausland schützten die Familie Heckscher nicht vor der Verfolgung. Im August 1938 wurde Caesar Heckscher, wegen „Rassenschande“ in Haft genommen. Seit den Nürnberger Gesetzen von 1935 wurde dieser Vorwurf oft als Vorwand genutzt, um angesehene Juden in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Er blieb bis zum 21. September im Konzentrationslager Fuhlsbüttel Haft und wurde anschließend in das Gestapohauptquartier in der Stadthausbrücke gebracht, wo er weitere zwei Wochen inhaftiert war. Am 4. Oktober 1938 kam er schließlich mit der Auflage frei, Deutschland binnen 10 Tagen zu verlassen. Einen Tag nach seiner Entlassung emigrierte er nach Frankreich, wohin er während seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt bereits Kontakte geknüpft hatte.

Noch während seiner Haftzeit war es ihm gelungen seine minderjährige Tochter Hannelore nach Großbritannien in Sicherheit zu bringen und sie in London in einer Privatschule anzumelden, wo sie bis zum Oktober 1938 blieb, bevor sie zu ihrem Vater nach Frankreich übersiedelte. Caesar Heckscher versuchte sich in Frankreich ein neues Leben aufzubauen, arbeitete als Anwalt. Aber 1940 mit Beginn des Krieges holte der lange Arm der nationalsozialistischen Verfolgung die Familie wieder ein. Sie wurden in Frankreich als feindliche Ausländer interniert. Nach der Besetzung Frankreichs flohen sie zunächst in das von Deutschen nicht besetzte Südfrankreich. Doch auch dort wurde die Situation für Menschen jüdischen Glaubens immer bedrohlicher, weshalb die Familie (Hannelore und ihr Vater) spätestens seit Ende 1940 versuchte eine Ausreisegenehmigung in die USA zu erhalten. Nach bangen Monaten der Ungewissheit erhielten sie diese im März 1941 und fuhren per Schiff Richtung Martinique. Doch das Schiff wurde in der Karibik von der britischen Marine aufgebracht und zunächst nach Port of Spain umgeleitet. Im Juli 1941 reisten Hannelore und Ihr Vater nach Cuba und bleiben dort bis sie mit Unterstützung des Schwiegersohnes im Juli 1941 eine Einreiseerlaubnis in die USA erhielten.

Während Hannelore Heckscher in den USA ein neues Leben fand, überlebte ihr Vater den Krieg nur kurz, er starb im Juli 1945. 1947 wurde Hannelore Heckscher Bürgerin der USA.

Der gesamte Besitz der Familie blieb aufgrund der erzwungenen Ausreise in Hamburg zurück. Caesar Heckscher hatte es zwar noch geschafft, seinen Hausrat bei einer Spedition einzulagern, die Überführung in die USA wurde aber durch die Oberfinanzdirektion Hamburg verhindert. Im Dezember 1939 beschlagnahmte die Gestapo den gesamten Hausrat, welcher im Juni und Juli 1940 öffentlich versteigert wurde.

Das bei uns gefundene Buch von Hannelore Heckscher war mit dem Umzugsgut 1939 von der Gestapo beschlagnahmt und der Stabi von der Gestapo zum „Geschenk“ gemacht worden.

Im Oktober 2012 konnten wir die Enkelin und über diese die Tochter von Hannelore Heckscher in den USA ausfindig machen und kontaktieren. Hannelore Heckscher selbst ist leider 2010 verstorben, unsere Recherchen kamen für sie zu spät. Die Freude der Tochter über diesen unerwarteten Fund war dennoch groß. Das Buch, dass Hannelore zu ihrem 16. Geburtstag geschenkt bekommen hat, bekommt nun ihr gerade geborener erste Urenkel zu seinem Geburtstag geschenkt.

Kontakt:

Arbeitsstelle Provenienzforschung - NS-Raubgut


Anneke de Rudder / Dr. Wiebke von Deylen
Wiss. Mitarbeiterin / Kommissarische Leitung
E-Mail: nsraubgut@sub.uni-hamburg.de
Telefon: +49 40/42838-3348 / -2225
Telefax: +49 40/42838-3352