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Hamburg, Carl von Ossietzky

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Wieder vereint: Die Bücher von Anna und Paul Mendel

Freitag, den 31.12.2010

Raubgut

<a href="https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=1/SET=1/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=ppn+133942627" title="NSR A/317217">NSR A/317217</a>, Exlibris von Paul Mendel

<a href="https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=1/SET=3/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=ppn+358352150" title="NSR A/499865">NSR A/499865</a>, Widmung des Autors (?) für Anna Mendel

Zum Ende des Jahres haben wir in Zusammenarbeit mit der Stolperstein-Initiative die beiden Bucher der Eheleute Anna und Paul Mendel aus Hamburg zuordnen konnen. Die Bucher sind wahrend der Uberprufung der Bestande unserer Bibliothek zunachst „nur“ als NS-Raubgutverdacht getrennt voneinander aufgenommen worden. Bei der ersten Uberprufung stellte sich allerdings schnell heraus, dass fur Anna und Paul Mendel jeweils ein Stolperstein in Hamburg verlegt worden ist. Die beiden hatten als Ehepaar zuletzt im Loogestieg 10 in Hamburg gewohnt. Im Staatsarchiv Hamburg sowie beim Besuch des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes in Bad Arolsen konnten wir weitere Details der Familiengeschichte in Erfahrung bringen. Die Eintrage in den Buchern selbst liesen nicht viel erkennen. Wir wussten zwar die Namen der Vorbesitzer, dennoch blieben uns die Zugangswege verborgen. In dem Buch von Paul Mendel befindet sich zwar eine Zugangsnummer, diese ist im Journal allerdings nicht verzeichnet. Laut den Nachforschungen von Dr. Krawehl aus dem Jahre 1999 handelt es sich bei diesen Zugangsnummern aber mit groser Wahrscheinlichkeit um NS-Raubgut. Es handelt sich um eine seltene Erstausgabe von Franz Kafkas: Der Landarzt. Im Buch von Anna Mendel fehlte eine Zugangsnummer gänzlich. Es handelt sich um den Gedichtband Heimweh von Jakob Haringer. Er enthält eine Widmung des Autors (?) für Anna Mendel.

Die Eheleute Anna und Paul Mendel

Paul Mendel ist am 28. Oktober 1873 in Hamburg geboren. Anna Mendel wurde ebenfalls in Hamburg am 28. Dezember 1876 geboren. Beide engagierten sich sehr in der Hamburger Künstlerszene. Besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg tat sich Paul Mendel als Förderer der Hamburger Künstlerszene hervor, Anna Mendel malte eigene Stillleben. Als Kunstliebhaber besaßen die Eheleute Mendel zudem eine Sammlung von Kunstwerken unter anderem von Otto Rodewald, der das Exlibris von Paul Mendel gestaltete und Paula Modersohn-Becker.

In den Familienerinnerungen bleibt Paul Mendel ein gesetzter und bedächtiger älterer Herr, seine Frau Anna wirkte neben dem etwas fülligen Paul Mendel zierlich und trat durch ihre elegante Erscheinung hervor. Durch die zunehmende Einschränkung der Freiheiten nach 1933 mussten die Mendels des Öfteren umziehen und auch Teile ihrer Sammlung bzw. ihres Hausstandes verkaufen. Im Juli 1942 wurden Anna und Paul Mendel von der Gestapo in ihrer letzten Wohnstätte in der Heilwigstraße verhaftet und am 19. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die Wohnung der Mendels wurde versiegelt und die letzten Besitztümer versteigert. Wie die beiden Bücher in unseren Bestand gelangten, bleibt aufgrund der fehlenden Quellenlage unklar. Es ist allerdings zu vermuten, dass die Bücher vor der öffentlichen Versteigerung von der Gestapo an unsere Bibliothek abgegeben wurden.

Paul Mendel starb bereits vier Monate nach der Deportation in Theresienstadt am 21. November 1942 im Alter von 69 Jahren. Seine Frau Anna Mendel überlebte ihn nur kurze Zeit. Sie verstarb am 4. Januar 1944. Der Tod der beiden blieb für die Verwandten nach dem Krieg zunächst verborgen, denn sie erhielten eine letzte Postkarte, die Anna Mendel Ende 1943 nach Hamburg schickte. 1948 wurden Paul und Anna Mendel durch das Amtsgericht Hamburg für tot erklärt.

Die Suche nach den Erben

Als überlebende Erbin konnten wir eine Nichte der kinderlosen Mendels ausfindig machen, deren letzte von uns ermittelte Anschrift stammte von 1953. Durch einen Zufall wurde nun unsere Recherche abgekürzt und zu einem Ende geführt. Über eine ehemalige Diplomandin, die derzeit für die Geschichtswerkstatt Eppendorf biographische Recherchen über die Namen hinter den Stolpersteinen durchführt, kamen wir in Kontakt mit einem Verwandten und direkten Erben der Eheleute Mendel und sind nun mit ihm im Gespräch. Die beiden Bücher seines Großonkels und seiner Großtante hat er in Augenschein genommen und war hoch erfreut über die Art und Weise, wie im Katalog der SUB auf den Umstand hingewiesen wird, dass es sich bei den Büchern um NS-Raubgut handelt.

Von Volker Cirsovius

Kontakt:

Arbeitsstelle Provenienzforschung - NS-Raubgut


Anneke de Rudder / Dr. Wiebke von Deylen
Wiss. Mitarbeiterin / Kommissarische Leitung
E-Mail: nsraubgut@sub.uni-hamburg.de
Telefon: +49 40/42838-3348 / -2225
Telefax: +49 40/42838-3352