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Robert Dudley - Das Geheimnis der See

Dudley, Robert: Dell'Arcano del Mare. Firenze, Onofri, 1646-1647. 6 Teile in 3 Bänden. SUB Hamburg, Kartensammlung, Signatur: KS 323/902
Expo des Monats (Juni)

Dell'Arcano del Mare (Das Geheimnis der See) des Engländers Robert Dudley (1574-1649) ist ein in italienischer Sprache verfasstes Traktat über Navigation, Schiffbau und Seekriegskunst. Sein letzter Teil, ein Seeatlas, ist eines der wichtigsten Werke der europäischen Kartographie und eines der wertvollsten unserer Kartensammlung.

Die enthaltenen sehr detaillierten Texte sind von unzähligen erklärendenTafeln begleitet, die zusammen mit den Seekarten von dem Florentiner Meister Antonio Francesco Lucini (1610-nach 1661) in Kupfer gestochen wurden.

Sir Robert Dudley, der Autor, war eine schillernde Persönlichkeit des elisabethanischen Zeitalters. Der illegitime Sohn des berühmten Favoriten von Königin Elisabeth I., des Earls of Leicester, und von Lady Douglas Sheffield war, wie es sich für einen Neffen und Enkel von Groß-Admirälen ziehmt, schon seit seiner Jugend von der Seefahrt fasziniert und betätigte sich früh als Seefahrer und Freibeuter. In seinem bewegten Leben war er nicht nur Schiffseigner, Erbauer von Kriegsschiffen und Kartograph, sondern auch Erfinder von Navigationsinstrumenten und Entwickler neuer Schiffstypen. Er verstand viel von Mathematik und Astronomie, von Architektur und auch von Medizin. Berühmte Seefahrer wie John Davis und Abraham Kendall waren seine Freunde und Lehrmeister, der Weltumsegler Thomas Cavendish war sein Schwager. In den Jahren 1594 und 1595 rüstete er einige Schiffe für eine Fahrt nach Westindien, wo er die Küste Guayanas erforschte und spanische Schiffe kaperte. An der Seite des Grafen Essex zeichnete er sich 1596 beim Angriff auf Cadiz aus und wurde anschließend von der Königin zum Ritter geschlagen. Schon 1588 erbte er nach dem Tod seines Vaters ein beträchtliches Vermögen, das durch das Erbe seines Onkels Ambrose Dudley, Earl of Warwick noch vergrößert wurde. Leider begnügte er sich nicht damit, sondern strengte ab 1603, inzwischen mit Alicia Leigh verheiratet, einen Prozess auch um die Titel seines Vaters an und somit um seine Legitimität.

Brasilienkarte aus Dudley, Dell'Arcano del Mare

Diese Bemühungen blieben leider erfolglos, so dass er 1605 England, seine Frau und seine vier Töchter verließ, um sich in Italien niederzulassen. Er ging aber nicht allein: seine schöne Cousine Elisabeth Southwell begleitete ihn als Page verkleidet. Die beiden konvertierten zum Katholizismus und erhielten den Dispens des Papstes für ihre Heirat, dem die Existenz der Ehefrau in England vorsichtshalber verschwiegen wurde. Robert Dudley trat in den Dienst des Großherzogs Ferdinand I. der Toskana und wurde mit vielfältigen Aufgaben betraut: er baute für das großherzögliche Arsenal Kriegsschiffe, man übertrug ihm den Ausbau des Hafens von Livorno sowie die Trockenlegung der Sümpfe zwischen Pisa und Livorno.

Schon 1608 baute er für die toskanische Kriegsflotte die Galeone San Giovanni Battista, ein Segler mit 64 Kannonen, der zum "Schrecken der Türken"1 wurde. Wahrscheinlich ist die 1608 stattgefundene Expedition der Italiener nach Guayana auch Dudleys Einfluss zu verdanken. Nach dem Tod Ferdinands I. (1609) blieb Robert Dudley weiter in toskanischen Diensten und avancierte 1619 zum Kammerherren der Ehefrau von Cosimo II., der Großherzogin Maria-Magdalena von Österreich.

Nachdem der englische König James I. die Titel Earl of Leicester und Earl of Warwick, um die Dudley so lange gekämpft hatte, anderweitig vergab, ernannte der deutsche Kaiser Ferdinand II. von Habsburg durch die Vermittlung seiner Schwester, der Großherzogin Maria-Magdalena, Robert Dudley zum Duke von Northumberland. Auf diese Provokation reagierte die englische Krone mit der Konfiszierung aller Dudleyschen Besitzungen in England, so dass der Duke nie mehr in sein Heimatland zurückkehrte.

Sir Robert Dudley war als passionierter Mathematiker schon in sehr jungen Jahren ein versierter Navigator, was er auf seiner Reise nach Guayana bewies. Von seinem damaligen Begleiter und Navigator Abraham Kendall eignete er sich nicht nur weitere Navigationskenntnisse an, sondern auch kartographische Aufzeichnungen, die Ihren Niederschlag in seinem späteren Meisterwerk, im Arcano del Mare, fanden.

Seine Kenntnisse und Erkenntnisse über Schiffbau und Navigation begann Dudley schon 1610 aufzuschreiben, wie ein Manuskript aus Florenz beweist, zunächst in englischer Sprache und dann später, im Arcano, auf Italienisch.

Nachdem er also vierzig Jahre an seinem Opus magnum gearbeitet hatte, erschien es im Florentiner Verlag des Giuseppe Onofri 1646-1647, als der Autor zweiundsiebzig Jahre alt war. Es ist in drei Bänden unterschiedlichen Formats gebunden, enthält fünf Teile (Bücher), wobei die Teile 1-4 in einem Band, der 5. Teil in einem weiteren und schließlich der 6. Teil, der Seeatlas, in einem dritten Band gebunden sind. Die ersten vier Bücher sind 1646 erschienen, das fünfte und sechste Buch mit einer einjährigen Verzögerung, erst 1647.

Auch für den Kupferstechermeister Lucini war es eine harte Arbeit; er behauptete, zwölf Jahre für die Stiche des Werks gebraucht und 5.000 Pfund Kupfer dafür verbraucht zu haben.

Der komplette Titel der "Geheimnisse der See", gedruckt auf dem Titelblatt des ersten Bandes, lautet:

Dell'Arcano Del Mare, Di D. Rvberto Dvdleo Dvca Di Northvmbria, E Conte Di Vvarvich, Libri Sei;

Nel primo de quali si tratta della Longitudine praticabile i diuersi modi, d'inuenzione dell'Autore,

Nel Secondo, delle Carte sue generali, e de' Portolani rettificati in Longitudine, e Latitudine,

Nel Terzo, della Disciplina sua Maritima, e Militare.

Nel Quarto, dell'Architettura sua Nautica di Vascelli da guerra,

Nel Quinto, della nauigazione scientifica, e perfetta, cioè Spirale, ò di gran Circoli,

Nel Sesto, delle Carte sue Geografiche, e Particolari.

Gewidmet ist das Werk: Al Serenissimo Ferdinando Secondo Gran Dvca Di Toscana suo Signore.

Im ersten Teil beschäftigt sich der Autor mit dem Thema der Längengradbestimmung, eines der größten Probleme der Navigation auf hoher See bis zur Erfingung des Chronometers durch John Harrison Mitte des 18. Jahrhunderts. Dudley beschreibt mehrere Möglichkeiten zur Positionsbestimmung mit Hilfe von Navigationsinstrumenten, die er entweder selbst erfunden oder verbessert hat. Sie werden nicht nur detailliert beschrieben, sondern sind auch als Abbildungen in dem Band zu sehen.

Das zweite Buch enthält zwölf bekannte Seekarten mit den Korrekturen des Autors. Die erste dieser Karten stammt von Abraham Kendall und stellt einen Teil der Strecke der gemeinsamen Reise nach Westindien dar. Im Text werden die Fehler beschrieben, die am häufigsten bei der Vermessung und der späteren Kartenherstellung vorkommen.

Das dritte Buch des Arcano ist der Seekriegskunst gewidmet. Es geht um Verteidigungs- und Angriffsstrategien im Seekrieg mit Beispielen für Flottenaufstellungen und -stärken illustriert mit zahlreichen Kupferstichen. Die Befestigungs- und Verteidigungsanlagen von Häfen sind ein weiteres Thema dieses Abschnitts.

Expo des Monats (Juni)

Im vierten Teil geht es um den Schiffbau, vor allem um den Kriegsschiffbau. Enthalten sind minutiöse Beschreibungen und zahlreiche Tafeln von Schiffstypen verschiedener Größe und Ausrüstung, die Robert Dudley selbst konzipiert oder wesentlich verbessert hat.

Der fünfte Teil ist der wissenschaftlichen Navigation und der Großkreisnavigation gewidmet. Dudley beschreibt von ihm bevorzugte und ersonnene Navigationsmethoden sowie die dazu benötigten Instrumente, von ihm erfunden oder angepasst.

Der sechste und letzte Teil des Arcano schließlich ist der Seeatlas. Dieses außergewöhnliche kartographische Werk vereinigt viele Superlative: es ist der erste gedruckte See-Weltatlas und der erste eines Engländers; die 130 sehr genauen Karten der Weltmeere und Küsten, vom Autor selbst nach eigenen Erkenntnissen und den aktuellsten Beobachtungen gezeichnet, sind alle in der damals noch neuen Merkatorprojektion gehalten; angegeben sind darauf - auch eine Neuerung - die Abweichungen der Magnetnadel, die Meeresströmungen und die Winde.

Antonio Francesco Lucini hat die Karten in einem klaren, einfachen, aber sehr eleganten Stil gestochen, der in seiner Schlichtheit keine weiteren Nachahmer fand.

Der Seeatlas des Robert Dudley ist also nicht nur inhaltlich, sondern auch in seiner Form einzigartig.

Gabriele Urban

Expo des Monats (Juni)

Literatur

  • Leader, John Temple: Life of Sir Robert Dudley, Earl of Warwick and Duke of Northumberland. Florenz 1895.
  • Warner, George F. (Hg.): The Voyage of Robert Dudley, afterwards styled Earl of Warwick and Leicester and Duke of Northumberland, to the West Indies, 1594-1595, narrated by Capt. Wyatt, by himself, and by Abram Kendall, Master. London 1899.
  • The Wardington Library: Important Atlases & Geographies. Part One: A-K. (Sotheby's Catalogue). London 2005. S. 198-201.
  • Blake, John: Die Vermessung der Meere: Historische Seekarten. Darmstadt 2007.

Fußnote

1Leader, John Temple: Life of Sir Robert Dudley, Earl of Warwick and Duke of Northumberlnad, Florence 1895, S. 55: "... the Duke made the Galleon St. Giovanni Battista for the Grand-Duke Ferdinand. She carried 64 pezzi grossi (great guns), was a rare and strong sailer, of great repute, and the terror of the Turks in theses seas."

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