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Malerische Reise in Brasilien

Johann Moritz Rugendas: Voyage pittoresque dans le Brésil, Paris 1835. Linga-Bibliothek für Lateinamerika-Forschung, Signatur Linga Od 75
Expo des Monats (Mai)
Expo des Monats (Mai)

In der„Malerischen Reise in Brasilien“ verarbeitete der deutsche Maler Johann Moritz Rugendas (1802-1858) seine Eindrücke und Erlebnisse während eines mehrjährigen Aufenthalts im Land und schuf mit seinen Zeichnungen einen bedeutenden Beitrag zur brasilianischen Ikonographie. Rugendas war von dem Generalkonsul des Zaren in Brasilien, dem russisch-deutschen Naturforscher Georg Heinrich Freiherr von Langsdorff, als Reisezeichner für eine ausgedehnte naturkundliche Expedition unter Vertrag genommen worden. Da der Beginn der Reise sich um zwei Jahre verzögerte, verbrachten die Teilnehmer die Zeit von 1822 bis 1824 in Rio de Janeiro und auf einem landwirtschaftlich genutzten Anwesen in der näheren Umgebung. Dort zeichnete Rugendas zahlreiche Ansichten Rio de Janeiros, der damaligen Hauptstadt des 1822 unabhängig gewordenen Brasiliens. Außerdem fertigte er einen umfangreichen Zyklus über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Sklaven auf einer Fazenda an. 1824 konnte die Gruppe mit der Erforschung der wirtschaftlich bedeutenden Provinz Minais Gerais beginnen. Während der Reise zeichnete Rugendas neben den vielfältigen Landschaftsansichten auch Impressionen der verschiedenen indigenen Ethnien, denen er unterwegs begegnete. Ende des Jahres verließ er die Expedition unter ungeklärten Umständen und kehrte 1825 über Rio de Janeiro nach Europa zurück. Von seinen zahlreichen Bildern und Skizzen musste er einen Teil Langsdorff überlassen, dennoch verblieben etwa 500 Blätter in seinem Besitz.

Expo des Monats (Mai)

Rugendas wurde 1802 geboren und entstammte einer Künstlerfamilie aus Augsburg, die über Generationen bekannte Kupferstecher und Maler hervorgebracht hatte. Nach Abschluss seiner Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste München trat er als Neunzehnjähriger mit der Forschungsexpedition unter Langsdorff seinen ersten Amerikaaufenthalt an. 1831 brach er erneut nach Lateinamerika auf, diesmal für einen deutlich längeren Zeitraum. Die Stationen seines Aufenthaltes waren Mexiko, Chile, Peru, Argentinien und Uruguay sowie noch einmal Brasilien. In den meisten der genannten Länder lebte er jeweils für einige Jahre und schuf ein mehrere tausend Blätter umfassendes Werk mit landeskundlich und ethnographisch bedeutenden Darstellungen. Alexander von Humboldt bezeichnete ihn später als den „Maler Amerikas“. Erst 1847 ließ Rugendas sich endgültig in Deutschland nieder, wo er 1858 verstarb.

Expo des Monats (Mai)
Expo des Monats (Mai)

Der erwähnte Alexander von Humboldt hatte einen entscheidenden Anteil an Rugendas Karriere und an seiner steigenden Popularität in Europa und in Lateinamerika. Rugendas hatte ihn kurz nach seiner Rückkehr aus Brasilien 1825 in Paris kennengelernt. Humboldt war begeistert von seinem Talent und unterstützte eine Veröffentlichung seiner Werke. So erschien zwischen 1827 und 1835 die „Voyage pittoresque“, die Rugendas international bekannt machte, in Teillieferungen und parallel in einer deutschen und einer französischen Ausgabe. Das Werk besteht überwiegend aus Abbildungen (100 Tafeln), begleitet von Beschreibungstexten (48, 34, 51 und 32 Seiten). Rugendas Darstellung ist eine der ersten, die das europäische Publikum über das unabhängige Brasilien informierten. Sie erschien kurz nach den Beschreibungen des Forschungsreisenden Maximilian zu Wied-Neuwied, der sich von 1815 bis 1817 in Brasilien aufgehalten hatte (1820/21) und etwa zeitgleich mit denen der Naturforscher Johann Baptist von Spix und Carl Friedrich Philipp von Martius, die das Land in der Endphase der portugiesischen Herrschaft im Rahmen einer Expedition von 1817 bis 1820 bereist hatten (1823-1831).

Der Erfolg, den gerade Rugendas sowohl in Europa als auch in Lateinamerika hatte, basiert auf der Kombination seiner künstlerischen Ausdrucksfähigkeit, seinen detailgetreuen landschaftlichen und botanischen Darstellungen sowie seinen Schilderungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den lateinamerikanischen Gesellschaften der frühen Unabhängigkeit. Diese verbinden ethnographische Präzision und die nach einer gewissen „Exotik“ verlangende Erwartungshaltung gerade des europäischen  Publikums. Das Ansehen, das Rugendas auch in vielen Ländern Lateinamerikas genießt, lässt sich an den zahlreichen Übersetzungen und Neuausgaben seiner Werke ablesen, die im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts erscheinen. So sieht der Rugendas-Biograf Pablo Diener Ojeda ihn stilprägend für die „typisch brasilianische Ikonographie“ und seine Bilder als „Teil des nationalen Imaginariums“.

Expo des Monats (Mai)
Expo des Monats (Mai)

Die erwähnten Brasilien-Darstellungen befinden sich in verschiedenen Ausgaben im Besitz der Linga-Bibliothek für Lateinamerika-Forschung, ebenso wie die wohl spektakulärste Beschreibung durch einen deutschen Reisenden, der bereits im 16. Jahrhundert entstandene Bericht Hans Stadens. Dieser kam Mitte des 16 Jahrhunderts als Landsknecht nach Brasilien und wurde bei Kämpfen gegen die aufständischen Indigenen gefangen genommen. In der bekanntesten Ausgabe seiner Schilderungen, die 1593 mit Kupferstichen von de Bry herausgegeben wurde, wird besonders das Thema Anthropophagie ikonographisch prägend dargestellt. Gerade diese Edition hatte starken Einfluss auf das europäische Brasilien-/Südamerika-Bild in der Frühen Neuzeit (Signatur: Linga Oe 5). Diese und andere Originalausgaben von Augenzeugenberichten und Chroniken aus dem 16. Jahrhundert über die Entdeckung und Eroberung Amerikas sowie Beschreibungen europäischer Reisender aus dem 19.Jahrhundert bilden einen Schwerpunkt innerhalb des wertvollen Altbestands der Linga-Bibliothek. Darunter befindet sich auch eine bedeutende Kollektion an Veröffentlichungen von und über Alexander von Humboldt. Neben aktueller Forschungsliteratur zu einem weit gefassten Themenspektrum der Lateinamerika-Forschung erwirbt die Linga-Bibliothek, beheimatet im Altbau der Staatsbibliothek, weiterhin Reisebeschreibungen als Sammlungsergänzung.

Wiebke von Deylen

Literatur

  • Sigrid Achenbach: Kunst um Humboldt: Reisestudien aus Mittel- und Südamerika von Rugendas, Bellermann und Hildebrandt. München : Hirmer 2009
  • Pablo Diener Ojeda: Rugendas 1802-1858. Augsburg : Wissner 1997. (Zugl.: Zürich, Univ., Diss., 1993/95)

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