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Hans Henny Jahnn: „Fluß ohne Ufer“

Von der Handschrift zum Druck

Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky: Nachlass Hans Henny Jahnn (Signatur: NHHJ)

Hans Henny Jahnns (1894-1959) großer, unvollendeter Roman „Fluß ohne Ufer“, der zwischen 1949 und 1961 erschien, ist in drei Teilen angelegt. Der umfangreiche zweite Teil trägt den Titel „Die Niederschrift des Gustav Anias Horn“. Diese fiktive Niederschrift des fiktiven Komponisten Horn liegt als reale Niederschrift des realen Autors Jahnn in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Dass sich bereits hier die Ebenen der Fiktion und der Wirklichkeit übereinander legen, ist kein Zufall. Folgt Jahnns Roman doch in vielen Details Jahnns Leben und Wirken. Eine Stelle aus dieser auf etliche Oktavhefte verteilten Niederschrift soll dies im Zusammenhang mit der Demonstration des textgenetischen Weges von der Handschrift zum Druck illustrieren. Es ist dies die Einfügung einer eigenen Komposition Hans Henny Jahnns ins Romangeschehen. So rekapituliert der Komponist Horn in der Niederschrift die Vertonung einer Passage aus der zwölften Tafel des altbabylonischen Gilgamesch-Epos, die im Roman den letzten Teil von Horns musikalischem Hauptwerk, der Ode-Symphonie „Das Unausweichliche“ bildet, tatsächlich jedoch von Hans Henny Jahnn selbst stammt. Die Vertonung der Worte „Sag an mein Freund, sag an mein Freund, die Ordnung der Unterwelt, die du schautest! – Ich will es dir nicht sagen, mein Freund, ich will es dir nicht sagen, die Ordnung der Unterwelt, ich will sie dir nicht sagen“ datiert im Notenmanuskript aus den Jahren 1924/25. Jahnn führt die Vertonung – sehr nahe liegend – ab der Stelle, an der die „Ordnung der Unterwelt“ genannt wird, als Kanon aus. An diesem neuralgischen Punkt der Interpolation des musikalischen Kunstwerks, das den Tod als das große, ebenso unfassbare wie unausweichliche Rätsel der Menschheit thematisiert, schichtet Jahnn verwoben mit der Todesthematik gewissermaßen auch die Geschichte einer großen Männerfreundschaft wie sie im Gilgamesch-Epos niedergelegt ist, seine eigene Biographie und die im Roman geschilderte Freundschaft zwischen Horn und Tutein übereinander.

Expo des Monats (Mai)

Als der Roman 1986 für die Werkausgabe neu herausgegeben wurde, konnte bereits auf den Nachlass zurückgegriffen werden. Jedoch nur auf einen Teil dessen, was nun seit August letzten Jahres in der Staatsbibliothek liegt. Denn zunächst wurde von Jahnns Erben im Jahr 1968 ein Teil-Nachlass erworben. Der Rest verblieb noch bei den Erben und wurde nun im letzten Jahr nach Hamburg gebracht. Dieser Umstand macht es nun erstmals möglich, eine Textstelle wie die genannte in all ihren textgenetischen Entwicklungsstufen zu dokumentieren. Angefangen von der ersten Niederschrift über ein Typoskript mit eigenhändigen Korrekturen, sodann über die Druckfahnen mit extra Notenbeispielen bis hin zum Handexemplar des Erstdrucks. Flankiert wird dies außerdem durch Jahnns eigene, ursprünglich vom Roman losgelöste Notenmanuskripte. Die genannten Dokumente verteilen sich etwa zu gleichen Teilen auf den bereits vorhandenen und den nun neu hinzugewonnenen Teil-Nachlass und zeigen sehr schön die Fülle, aus der nun die Jahnn-Forschung in der Staatsbibliothek schöpfen kann.

Mark Emanuel Amtstätter

Expo des Monats (Mai)

Literatur

  • Uwe Schweikert: „Ich hatte eine genaue Vorstellung von ‚meiner’ Musik“. Jahnn als Komponist. In: „Orgelbauer bin ich auch“. Hanns Henny Jahnn und die Musik. Hrsg. von Uwe Schweikert. Paderborn 1994, S. 104-124.
  • Gianna Zocco: Sag an, mein Freund, die Ordnung der Unterwelt. Das Gilgamesch-Epos in Hans Henny Jahnns „Fluß ohne Ufer“. Frankfurt am Main 2010.

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