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Hamburg, Carl von Ossietzky

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Januar 2012

Der Atlas des Claudius Ptolemaeus in der Ulmer Ausgabe von 1482

Ptolemaeus, Claudius: Cosmographia. Aus dem Griech. übers. von Jacobus Angelus de Scarperia. Mit Widmungsvorrede an Papst Paulus II. von Nicolaus Germanus. Holzschnittkarten von Johannes aus Armsheim nach Vorlagen von Nicolaus Germanus.
Ulm: Leonhard Holl, 1482. [69] Bl. : [32] doppelbl. Karten.

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Inkunabelsammlung, Signatur: Scrin 30b

Im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung verfasste der in Alexandria lebende Astronom, Geograph und Mathematiker Claudius Ptolemaeus (ca. 100-ca. 170) eine Einführung in die Geographie, Geographike hyphegesis genannt, kurz Geographie. Das in acht Büchern gegliederte Werk enthält neben einer Projektionslehre in Buch I in seinem Großteil (Bücher II bis VII) die Namen und Koordinaten von ca. 8000 Ortschaften, topographischen Punkten (wie Flussmündungen, Berge, Seen) sowie von Volksstämmen und größeren Landschaftsgebieten der Oikumene, der damals bekannten Welt. Gegen Ende des siebten Buches finden sich Anleitungen zum Zeichnen einer Weltkarte mit Ausdehnungs- und Größenangaben. Das achte Buch besteht hauptsächlich aus den Begleittexten zu 26 Länderkarten, gegliedert nach den drei damals bekannten Kontinenten; es handelt sich dabei um zehn Beschreibungen zu Europa, um vier zu Afrika und um zwölf zu Asien. Ob diesen Textbeiträgen im Originalmanuskript Karten hinzugefügt waren, wird in der Forschung immer noch kontrovers diskutiert.

Expo des Monats (Januar)

Die Geographie stellte als Zusammenfassung der hellenistischen Geographie und Kartographie ihren Höhepunkt dar und gleichzeitig einen Endpunkt. Denn ein Jahrtausend lang spielte sie in der westlichen Erdkundenlehre keinerlei Rolle und geriet in Vergessenheit. Erst als sich im 14. Jahrhundert das Interesse der Humanisten wieder dem alten Griechenland zuwandte und erste Abschriften des ptolemäischen Werks auftauchten, begann sein Siegeszug in der abendländischen Wissenschaft.

Sich auf die Vorarbeiten seines Griechischlehrers Manuel Chrysoloras (ca. 1353-1415) stützend, übersetzte Jacobus Angelus de Scarperia um 1410 das ptolemäische Traktat ins Lateinische und nannte es Cosmographia. Abschriften der lateinischen Übersetzung mit und ohne Karten verbreiteten sich schnell, zunächst in Italien und danach in ganz Europa. 1475 erschien die erste gedruckte Textausgabe in Vicenza. Es folgten zwei weitere Ausgaben: 1477 in Bologna und 1478 in Rom, beide mit Kupferstichkarten.

Der erste gedruckte ptolemäische Atlas außerhalb Italiens erschien 1482 in der Ulmer Offizin von Lienhart Holl, über den man nicht allzuviel weiß. Holl betrieb seine Druckerwerkstatt in Ulm nur zwei Jahre lang von 1482 bis 1484 und stellte lediglich sechs Drucke her, allerdings sind "darunter ... zwei der schönsten illustrierten Bücher des 15. Jahrhunderts".[1] Eines davon ist eben die Cosmographia von Claudius Ptolemaeus, mit wunderschönen Holzschnittkarten bestückt.

Expo des Monats (Januar)

Leider trieben Fehlkalkulationen und der Mangel an Eigenkapital den Drucker bald in den Ruin. 1492 trat er zum letzten Mal in Ulm in Erscheinung, und zwar als Schuldner, der der Stadt verwiesen werden sollte.[2] Mitte 1482 aber gab er seinen prächtigen Ptolemaeus-Band heraus, der uns heute noch erfreut. Das auf Pergament gedruckte Exemplar der Staatsbibliothek enthält neben den 26 altkolorierten ptolemäischen Karten auch fünf moderne.

Die Zeichnungen dafür stammen von dem deutschen, in Italien lebenden und wirkenden Kartographen Nicolaus Germanus (ca. 1420-ca. 1490), dessen Cosmographia-Handschrift von 1468 die Vorlage des Ulmer Ptolemaeus' ist.[3] Die schon im Manuskript enthaltene Widmungsvorrede an den Papst Paul II., in der sich Nicolaus Gemanus als Schöpfer der Karten präsentierte, hat Lienhart Holl in seinen Druck übernommen und somit dafür gesorgt, dass der Name des Kartographen überliefert wurde.[4]

Expo des Monats (Januar)

Charakteristisch für die Karten von Nicolaus Germanus ist die trapezförmige Projektion, ein Indiz dafür, dass er wahrscheinlich auch die Vorlagen für die früheren, in Bologna und Rom produzierten ptolemäischen Atlanten geliefert hat. Um größtmögliche Aktualität bedacht, hatte Nicolaus Germanus den ptolemäischen Karten in seiner Handschrift von 1468 fünf moderne Tafeln hinzugefügt, in denen er die inzwischen gewonnenen geographischen Daten verarbeitete. Bei den fünf Karten handelt es sich um Darstellungen von Spanien, Frankreich, Italien, Skandinavien und Palästina, die sich auch im Ulmer Atlas von 1482 am Ende des Bandes wiederfinden.

Expo des Monats (Januar)

Der Holzschnitzer der Ulmer Atlas-Karten und wahrscheinlich auch der größeren Initialen und der Graphiken war Johannes von Armsheim. Seinen Namen kennt man, weil er selbstbewusst, obwohl ganz und gar nicht üblich im 15. Jahrhundert, den Holzschnitt der Weltkarte signierte: "In Sculptum est per Johanne[m] Schnitzer de Armßheim". Leider fehlt in unserem Exemplar die Weltkarte. Trotzdem ist die in der Offizin von Lienhart Holl in Ulm entstandene Cosmographia des Claudius Ptolemaeus nicht nur der älteste Atlas im Besitz der Staatsbibliothek, sondern einer unserer interessantesten und schönsten.

Gabriele Urban

[1] Amelung, Peter: Der Frühdruck im Deutschen Südwesten 1437-1500. Bd.1. Ulm. Stuttgart 1979. S. 261.

[2] Über die Schuldensituation von Lienhart Holl berichtet Peter Amelung ausführlich in: Amelung, Peter: Der Frühdruck im Deutschen Südwesten 1437-1500. Bd.1. Ulm. Stuttgart 1979. S. 264-271.

[3] Der Geograph Joseph Fischer fand 1899 im Baden-Württembergischen Schloss Waldburg-Wolfegg die am 4. Oktober 1468 in Florenz vollendete Ptolemaeus-Handschrift des Nicolaus Germanus und identifizierte sie als Vorlage des von Lienhart Holl hergestellten Drucks von 1482.

[4] Die Eingangs-Initiale der Ulmer Cosmographie zeigt Nicolaus Germanus im Habit eines Bendiktinermönchs, wie er sein Werk dem Papst  überreicht.

Literatur

  • Ptolemaios, Klaudios: Handbuch der Geographie: Griechisch-Deutsch. Hrsg.: Alfred Stückelberger und Gerd Graßhoff. Bd. 1-3. Basel 2006.
  • Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios' "Atlas der Oikumene". Bearb.: Andreas Kleineberg; Christian Marx; Eberhard Knobloch; Dieter Lelgemann. Darmstadt 2010.
  • Amelung, Peter (Hrsg.): Der Frühdruck im deutschen Südwesten 1473-1500.  Eine Ausstellung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Bd. 1.  Stuttgart 1979.

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