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Franz Liszt: "Es ist genug"

Arie für Bariton aus dem Oratorium Elias von Mendelssohn, für die Orgel bearbeitet von Franz Liszt. Zum Orgelweihfeste am 26. Sept. 1855 [zu Merseburg]. Eigenhändiges Manuskript. 4 Blätter, 34 x 26,5 cm

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Literatur-Archiv, Signatur: LA: Liszt, Franz: 1-4, aufrufbar in den Digitalisierten Beständen der SUB

Das Autograph dieser in keinem Werkverzeichnis genannten und bis heute gänzlich unbekannt gebliebenen Lisztschen Transkription einer Arie aus Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium Elias wurde der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg im Jahr 2010 von einem Hamburger Bürger geschenkt. Das zu Liszts 200. Geburtstag (22.10.2011) hiermit zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentierte Manuskript entstand, wie schon die von fremder Hand geschriebene Titelseite verrät, anlässlich der Einweihung der von Friedrich Ladegast erbauten neuen Orgel im Merseburger Dom am 26. September 1855.

Für das Einweihungskonzert dieses wegen seiner Größe und neuen klanglichen Möglichkeiten gepriesenen Instrumentes war ursprünglich Liszts Fantasie und Fuge über das Thema B-A-C-H vorgesehen, doch war dieses Werk nicht rechtzeitig fertig geworden. Statt dessen wurden Liszts Fantasie und Fuge über den Choral "Ad nos" (aus Meyerbeers Le Prophète) vorgetragen. Neben weiteren Orgelwerken von David Hermann Engel und Hermann Schellenberg erklangen noch geistliche Lieder von Johann Wolfgang Franck, die "Erbarme dich"-Arie aus Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion (mit Liszt an der Orgel) sowie eine Arie aus Mendelssohns Oratorium Paulus (vgl. Brendel 1855). Dass letztere wohl in Gestalt einer von Liszt stammenden Transkription für Bariton und Orgel dargeboten wurde, legt der Zusammenhang mit dem hier präsentierten Liszt-Autograph nahe. Warum jedoch bei dem Konzert nicht die Arien-Transkription aus dem Elias, sondern eine aus dem Paulus vorgetragen wurde, muss vorerst offen bleiben. Vielleicht war Liszt mit beiden Transkriptionen angereist, und man entschied sich dann bei den Proben vor Ort für letztere.

Die Titelseite des Notenmanuskriptes stammt laut einem beiliegenden Notizzettel von der Hand des Merseburger Domorganisten und Musikdirektors David Hermann Engel. Er, der Liszt das Instrument auch schon vor der Orgeleinweihung zugänglich gemacht hatte, durfte vermutlich das für die Aufführung nun nicht mehr benötigte Manuskript behalten. Darauf deutet jedenfalls die von ihm geschriebene Titelseite und ein späterer Bleistiftzusatz zur letzten Textzeile hin: "Diese Noten sind von Liszt geschrieben <und in Besitz des Organisten Musikdirektor David Engel gelangt>".

Liszts Transkription besteht in einer taktgenauen Übertragung des Mendelssohnschen Orchestersatzes für die Orgel. Notiert hat er lediglich den Orgelsatz auf drei Systemen; die Vokalstimme ist nur beim ersten Einsatz in Takt 10 angedeutet worden (mittels der Anfangsnoten), ansonsten ist sie für den Rest der Arie unverändert aus Mendelssohns Original zu übernehmen. In den ersten 30 Takten übertrug Liszt die akkordische Streicherbegleitung des Originals zunächst nahezu unverändert auf die Orgel, lockerte diese ab Takt 34 dann aber durch auf beide Hände verteilte Arpeggios und andere Figurationen auf. Das Pedal kommt nur sparsam zum Einsatz. Von Interesse sind die zahlreichen Spielanweisungen wie "(auf 2 Manuale)", "linke Hand", "dasselbe Manual", "2tes Manual" und die zahlreichen Lisztschen Fingersätze. Während von Liszt selbst nur eine pauschale Registrierangabe auf der letzten Seite zu finden ist ("andres register"), hat auf Seite 3 eine fremde Hand zu Beginn des Allegro-Teils mit Bleistift eine konkrete Registrierung festgehalten: "F[orte] H[aupt]W[erk] u. Rück[positiv] gekoppelt[;] 8 Fuß Labialstimmen[;] Pr[inzipal] 16 [Fuß]". Wahrscheinlich stammt dieser Eintrag von einem an den Proben beteiligten Organisten (möglicherweise Alexander Winterberger, der im Konzert auch Liszts Fantasie und Fuge über den Choral "Ad nos" gespielt hatte). Auf derselben Seite bediente sich Liszt einer schreibvereinfachenden Notation, indem er die vier Takte mit den Bezeichnungen A, B, C, D bei ihrer Wiederholung in der darauffolgenden Akkolade nicht ausschrieb, sondern mittels der vier Buchstaben markierte.

Wie in zahlreichen weiteren Fällen, in denen Liszt Werke anderer Komponisten für Klavier, Orgel oder sonstige Instrumente transkribierte oder frei bearbeitete, zeigt er auch in diesem Fall Geschick und Einfühlungsvermögen bei der Übertragung des Werkes in eine andere klangliche Umgebung.

Jürgen Neubacher

Expo des Monats Oktober

Literatur

  • Alan Walker: Franz Liszt. Volume Two: The Weimar Years 1848–1861. London/Boston 1989.
  • Franz Brendel: Großes Orgelconcert zu Merseburg. In: Neue Zeitschrift für Musik, Bd. 43, 1855, S. 156f.
  • David Hermann Engel: Beitrag zur Geschichte des Orgelbauwesens. Eine Denkschrift zur Einweihung der durch Herrn Friedrich Ladegast erbauten großen Dom-Orgel zu Merseburg, nebst Disposition derselben. Erfurt 1855.

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