FAQ
© 2024 Staats- und Universitätsbibliothek
Hamburg, Carl von Ossietzky

Öffnungszeiten heute09.00 bis 24.00 Uhr alle Öffnungszeiten Leichte Sprache

Barocke Lichtershows

Thomas Lediards Collection Curieuser Vorstellungen (1730)

Eine Collection curieuser Vorstellungen in Illuminationen und Feuer-Wercken so in denen Jahren, 1724. biß 1728. incl., bey Gelegenheit einiger publiquen Festins und Rejouissances, in Hamburg, und mehrentheils auf dem Schau-Platze daselbst / unter der Direction und von der Invention Thomas Lediard's ... sind vorgestellet worden ; In sechszehn grossen Kupfer-Platen[!] sauber gestochen, und auff das accurateste abgebildet ; Nebst derselben besondern, vollkommenen und ausführlichen Beschreibungen, in welchen etliche Hundert dabey vorgestellte Sinn-Bilder, nebst dazu gehörigen Lateinischen, und in teutschen Versen explicirten, emblematischen, und andern Inscriptionibus und Titeln enthalten. Hamburg : Stromer, 1730. [63] Bl. : Frontisp. (Portr., Kupferst.), Ill. (Kupferst.). ; 2°.

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Signatur Scrin C/295, aufrufbar in den Digitalisierten Beständen der SUB.

Mit dieser Kollektion hat der Londoner Thomas Lediard (1684-1743) ein faszinierendes Zeugnis zum einen für die Geschichte der Hamburger Gänsemarktoper, zum anderen für die politischen Feste und Huldigungsfeiern, die in Hamburg in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für hier ansässige Fürstenhäuser ausgerichtet wurden. Es unterstreicht die Bedeutung Hamburgs als ein Zentrum der Diplomatie mit zahlreichen ausländischen Residenten. Und es ist drittens ein außerordentliches Beispiel angewandter Emblematik in der Hamburger Festkultur dieser Zeit.

Lediard widmet sein Werk mehreren Residenten und Gesandten, für die er verschiedene Feierlichkeiten dekorierte und vor allem illuminierte, und die er als seine Gönner bezeichnet. An erster Stelle steht dabei sein Arbeitgeber Cyrill von Wich (gest. 1756), der englische Gesandte. Außerdem befinden sich seine Schwager Gottfried von Wedderkop (1689-1741), Geheimrat am Wolfenbütteler Hof, und Friedrich Christian von Wedderkop (1697-1756), schleswig-holsteinischer Gesandter, darunter. Desweiteren huldigt Lediard den Hamburger Bürgermeistern, Senatoren, Syndiki und sonstigen Staatsbeamten Hamburgs.

Expo des Monats (Dezember)

Die Kollektion enthält in chronologischer Reihenfolge ausführliche Beschreibungen sowie insgesamt 18 (nicht wie im Titel nur 16 angekündigte) Abbildungen von zehn Festopern, bei denen Lediard als Bühnengestalter und Lichtkünstler mitwirkte. So stammen sämtliche Entwürfe zu den Kupfern von Lediard selbst, die von drei Leipziger Kupferstechern und von dem zu dieser Zeit wohl gefragtesten Hamburger Kupferstecher Christian Fritzsch (1695-1769) umgesetzt wurden. Fritzsch hat den Großteil der Stiche (insgesamt zehn) sowie das Frontispiz mit dem Porträt Lediards angefertigt.

Der überreiche Einsatz von Allegorien und Emblemen ist ein wesentliches Merkmal von Lediards Bühnendekoren. Die von ihm verwendeten Motive werden gänzlich für den panegyrischen Kontext modifiziert. Dabei schöpft Lediard aus einem umfangreichen Fundus von Bild- und Textelementen aus christlicher und antiker Motivik, aus klassischer Emblematik sowie aus der jeweiligen Herrscherhausikonographie, die im Rahmen der Festoper für das Herrscherlob und die politische Repräsentation funktionalisiert werden.

Expo des Monats (Dezember)
Expo des Monats (Dezember)

Folgende zehn Festschauspiele ließ Lediard in Kupfer festhalten:

1. Geburtstag des englischen Königs Georg I. am 8. Juni 1724

2. Hochzeit Herzogs Carl Friedrich von Schleswig-Holstein mit der Zarentochter Anna Petrowna am 7. Februar 1725

3. Hochzeit des französischen Königs Ludwig XV. mit Maria Leszczyńska am 17. September 1725

4. Geburtstag von Friedrich Ludwig, Prinz von Wales, am 31. Januar 1726

5. Geburtstag des englischen Königs Georg I. am 9. Juni 1727

6. Geburt der Zwillingsmädchen im französischen Königshaus am 9. September 1727

7. Krönungsfest des englischen Königpaars Georg II. und Wilhelmina Carolina am 21. Oktober 1727

8. Geburt eines Prinzen im Herzoghaus Schleswig-Holstein 1728

9. Krönungsfest des Zaren Peter II. am 12. Mai 1728

10. Krönungsfest der Zarin Anna Iwanowna am 28. April 1730.

In seinen Beschreibungen gibt Lediard einen weiteren wichtigen Hinweis zum Erscheinungsbild der Bühnendekore: Diese waren farbig, bunt. Einen Eindruck davon vermitteln die erhaltenen Aquarelle zum Krönungsfest des preußischen Königs Friedrich III., das 1701 auch in Hamburg mit einer Ballettoper zur Musik von Reinhard Keiser gefeiert wurde. Die Entwürfe gehen vermutlich zurück auf den Hamburger Maler Johann Oswald Harms.

Expo des Monats (Dezember)

Eine weitere Besonderheit an Lediards Bühnendekorationen sind die Speziallichteffekte mit Transparenten und Illuminationen, die hier betitelten "barocken Lichtershows". Darunter muss man sich die Bühnenbilder auf transparenten Materialien (Stoff oder Papier) vorstellen, durch die Beleuchtungen mit einer großen Anzahl von Kerzen hindurchscheinen konnten. Lediard stellte die Beleuchtung nach den Bühnenszenen ein, ob sie bei Tag oder in der Abenddämmerung oder gar in der Nacht spielten. In seiner Publikation "German Spy" (London 1738) spricht Lediard von "etlich tausend Lampen, die hinter durchscheinende Kulissen gestellet waren". Oftmals wurden die Festschauspiele, die meist für Prologe oder/und Nachspiele als zusätzliche Einlagen stattfanden und damit ohne Bezug zu der eigentlich aufgeführten Oper standen, mit einem unter Trompeten- und Paukenschall abgebrannten Feuerwerk beendet.

Die Lichteffekte mittels einer aufwendigen Transparenztechnik wandte Lediard auch bei der Beleuchtung von Häuserfassaden oder künstlichen Architekturen an, z.B. an dem anlässlich der Krönungsfeier Zar Peter II. im Mai 1728 am Jungfernstieg aufgebauten und illuminierten Weinspringbrunnen.

Antje Theise

Literatur

  • Mit den Augen eines Engländers: Hamburg um 1725 [Thomas Lediard]. Hrsg. von Dorothea Schröder. Hamburg 1995.
  • Dorothea Schröder: Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Barockes Musiktheater in Hamburg im Dienst von Politik und Diplomatie (1690-1745). Göttingen 1998 (Abhandlungen zur Musikgeschichte; Nr. 2).
  • Emblemata Hamburgensia: Emblembücher und angewandte Emblematik im frühneuzeitlichen Hamburg. Hrsg. von Antje Theise und Anja Wolkenhauer [Katalog zur Ausstellung in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 12. Februar-22. März 2009]. Kiel 2009, S. 88-100.
  • Hellmuth Christian Wolff: Die Barockoper in Hamburg (1678-1738). Teil 1: Textband. Wolfenbüttel 1957.

Kontakt:

Öffentlichkeitsarbeit

Veranstaltungen
E-Mail: pr@sub.uni-hamburg.de