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Helmut Zacharias: vom Wunderkind zum „Zaubergeiger“

Samstag, den 18.06.2022

Pressespiegel

Dem unvergessenen Helmut Zacharias ist in der Staatsbibliothek eine sehenswerte Ausstellung gewidmet: Anlass ist sein 100. Geburtstag.

Birgit Reuther, Hamburger Abendblatt, 18.6.2022, S. 27

Der Stargeiger, der polarisierte

Dem unvergessenen Helmut Zacharias ist in der Staatsbibliothek eine sehenswerte Ausstellung gewidmet

Birgit Reuther

Hamburg Da steht Helmut Zacharias aufrecht im Anzug, die Geige links ans Kinn geklemmt. Anbei eine Sonnenuntergangsoptik mitsamt einer Frau, die auf einer ins Meer ragenden Palme liegt. " Buenos dias Zacharias" steht da in großen Lettern. Und etwas kleiner: " Süden, Sonne und Synkopen" .

In der Hamburger Staatsbibliothek ist derzeit eine kleine, feine Ausstellung zu erleben, die Leben und Werk des Helmut Zacharias zeigt. Allein die vielen Plattencover, die in der Mitte des Raums hängen, illustrieren eindrücklich, welche Schaffenskraft dieser Stargeiger des 20. Jahrhunderts besessen hat. Und wie er nicht nur sein Instrument, sondern auch die Vermarktung im jeweiligen Zeitgeist perfekt beherrschte.

Die Schau beginnt mit Kindheit und Jugend, in der Zacharias als " Wunderkind"  gehandelt wurde. Eine Bezeichnung, mit der er selbst haderte, wie er in einem Interview 1985 erläuterte: " Das frühe Interpretieren virtuoser Klassik führte dazu, dass ich als Wunderkind betrachtet wurde. Ich fühlte mich aber gar nicht so. Denn Wunderkinder werden doch dressiert, und das würde mir heute sehr leidtun, wenn eines meiner Kinder dazu gezwungen worden wäre."

In fünf Kapiteln erzählt die Ausstellung, wie sich Zacharias von der Klassik über den Jazz bis zum sogenannten " Zaubergeiger"  entwickelte, der durch Film und Fernsehen enorme Popularität erlangte. Zudem ist zu sehen, wie aus all den Genres, die Zacharias bediente, sein ganz eigener Stil entstand. Und wie ihn seine Hamburger Jahre von 1948 bis 1962 prägten.

Briefe und Fotos, Notenblätter und Magazinausschnitte, der Bambi und das Bundesverdienstkreuz -  eine Fülle an Originaldokumenten und Exponaten gibt einen profunden Einblick in das Wirken des 1920 in Berlin geborenen Künstlers. Der 100. Geburtstag war und ist der Anlass dieser liebevoll kuratierten Schau, die pandemiebedingt um zwei Jahre verschoben wurde. Allerdings sollte man gegebenenfalls die Lesebrille einstecken, denn die Inhalte in den Vitrinen erschließen sich oftmals erst über (teils nicht sonderlich groß gedruckte) Texte. Für einen sinnlicheren Zugang können Gäste an zwei Stationen in die Musik des Violinisten hineinhören und Interview- sowie Filmausschnitte betrachten. Etwa die Begegnung mit dem von Zacharias verehrten Kollegen Yehudi Menuhin 1977 in der Schweiz. Wie die beiden gemeinsam Bachs Doppelkonzert d-Moll spielen, veranschaulicht eindeutig: Musik ist Kommunikation, ist respektvolles Miteinander.

Vom schmissigen Foxtrott " Schönes Wetter heute!"  aus dem Jahr 1941 über den schmelzenden Schlager " Wenn der weiße Flieder wieder blüht"  von 1959 bis zu verspielten Popinterpretationen wie " Can' t Buy Me Love"  von 1966: Wer sich durch Zacharias'  Veröffentlichungen lauscht, der spürt eine unglaubliche Neugierde auf den Sound seiner Zeit sowie eine große Lust an Interpretation, Arrangement und Komposition. So würdigt die Schau ebenfalls, wie Zacharias damals mit neuester Studiotechnik experimentierte, zum Beispiel mit der Overdub-Vervielfachung von Streichern. Diese " magic violins"  ließen ihn auch international Erfolge feiern.

Dass seine Karriere jedoch immer wieder von Konflikten und Kontroversen begleitet wurde, spart die Ausstellung nicht aus. Zacharias begann sein Musikstudium 1936, spielte später mit dem Berliner Kammerorchester sogenannte Truppenbetreuungskonzerte und wurde schließlich selbst zur Wehrmacht einberufen.

" 1948 wurde eine Vorladung zu einem Entnazifizierungsverhör fallen gelassen, da eine Prüfung von Zacharias'  Reichsmusikkammer-Akte ihn entlastete" , ist in der Ausstellung zu lesen. Dokumentiert ist zudem die enge Zusammenarbeit mit dem NWDR in Hamburg, die Ende der 1940er-Jahre folgte -  sowohl mit dem Tanzorchester des Senders als auch mit Solisten wie Hans (später James) Last. Vor allem Jazzpuristen monierten stets aufs Neue die Kommerzialisierung, die Zacharias mit seinem Stilmix betrieb. In einem Auszug aus dem Künstler-Archiv der Deutschen Grammophon Gesellschaft tritt zutage, wie er als Musiker polarisierte: " Viele Freunde der leichten Musik finden ihn viel zu ,heiß , die ,Fans  halten ihn wiederum für viel zu ,süß'  . Die große Masse des Publikums hat er aber bedingungslos auf seiner Seite."

Helmut Zacharias starb 2002 in der Schweiz. Bereits 1995 wurde bei ihm eine Alzheimer-Erkrankung diagnostiziert. Eine Filmaufnahme zeigt ihn ein Jahr zuvor beim 60. Geburtstag des Hamburger Produzenten Christian Bruhn, wie er genussvoll geigt, singt, lächelt und strahlt. Voll in seinem Metier.

" Helmut Zacharias -  vom Jazzgeiger zum Weltstar"  bis 10. Juli, Staatsbibliothek, Mo-Fr 9.00-24.00, Sa/So 10.00-24.00, Eintritt frei; Vortrag mit Schellackplatten zum musikalischen Umfeld des frühen Helmut Zacharias:Mi, 22. Juni, 18.30, Vortragsraum, Eintritt frei

Birgit Reuther

Kontakt:

Referat für Öffentlichkeitsarbeit


Dr. Konstantin Ulmer
E-Mail: konstantin.ulmer@sub.uni-hamburg.de
Telefon: +49 40/42838-5918

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