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Die Borchert-Box in der Hamburger Staatsbibliothek

Dienstag, den 11.05.2021

Pressespiegel

Am 20. Mai wäre Wolfgang Borchert 100 Jahre alt geworden. Den Jubiläums-Geburtstag des Hamburger Schriftstellers feiert die Staatsbibliothek aber schon jetzt mit einer ganz neuen Dauerausstellung.

Von Lennart Richter auf NDR Kultur

Heute Nachmittag wurde die "Borchert Box" eröffnet. Sie enthält den Nachlass Wolfgangs Borcherts: Bücher, Briefe, persönliche Objekte. 1976 hatte die Mutter von Borchert den Nachlass an die Staatsbibliothek weitergegeben. Und ein weiteres, ganz besonderes Highlight gibt es in der Ausstellung auch noch.

Ausstellung "Dissonanzen" widmet sich Borcherts Leben und Werk

Kaum hat Kurator Konstantin Ulmer die Tür der "Borchert-Box" aufgeschlossen, springt einem sofort ein kleines, aber ganz besonderes Artefakt ins Auge: Die Tabakpfeife des Schriftstellers. "Die steht so ein bisschen für seine Lebenslust. Borchert war passionierter Raucher und hat auch gerne getrunken", erklärt der Kurator der Ausstellung, Konstantin Ulmer. "Das finde ich ganz interessant, weil Borchert oftmals mit so einem tragenden Pathos verbunden wird. Als Mensch war er auf jeden Fall nicht so."

 

Konstantin Ulmer, Kurator, steht in der sogenannten "Borchert-Box" vor Gegenständen wie zum Beispiel einem Schreibtisch und Regalen mit Büchern aus dem Nachlass des Schriftstellers Wolfgang Borchert.

"Dissonanzen" - so heißt die Ausstellung, die sich dem traurig-kurzen Leben Borcherts und seinem großen Werk widmet: ein gläserner Kubus, groß und begehbar, im ersten Stock der Staatsbibliothek mit zwei Räumen. Vorne und allen zugänglich ist der multimediale Infobereich. Dahinter befindet sich, geschützt durch eine Scheibe, der Nachlass des weltberühmten Schriftstellers. Und schnell fällt auf: "Ganz viel, was mit dem Meer zu tun hat", so Ulmer. "Die kleinen Modellschiffchen, die Muschelsammlung, ein getrocknetes Seepferdchen in einer Schachtel, der Schildkrötenpanzer. Auch an der Wand haben wir ein Bild mit Schiffen, mehrere sogar. Das spielte eine ganz große Rolle für ihn, das Meer und der Hafen."

Büchersammlung: Von Rilke bis Dostojewski

Wichtig für Borchert, natürlich aber auch für die Literatur: Im hinteren Teil der "Borchert-Box" stehen die unzähligen Bücher, die Borchert besessen hat, ordentlich aufgereiht in Regalen, darunter einiges von Dostojewski und Gogol, aber auch Hölderlin und Rilke. "Borchert hat sich selbst einige Jahre seines Lebens 'Wolf Maria Borchert' genannt, in Anlehnung an Rainer Maria Rilke. Was mich ein bisschen überrascht hat, was auch vertreten ist, sind die Nazi-Dichter seiner Zeit, die in seiner Kindheit prominent waren, wie Erwin Kolbenheyer oder Hans Jost", sagt Ulmer und fügt hinzu: "Er schreibt sogar Verse von Hans Jost auf die Rückseite eines Buches. Das hat ihn offensichtlich in irgendeiner Art und Weise fasziniert - in seinen Jugendjahren zumindest."

Persönliche Gegenstände: Pulswärmer

 

Wolfgang Borchert: Tragischer Held der Trümmerliteratur

Das Drama "Draußen vor der Tür" von 1947 hat den Hamburger berühmt gemacht. Doch die Premiere erlebte er nicht mehr.

Die Widmungen in den Büchern und Briefen von Borchert lassen persönliche Einblicke in das Leben des Hamburger Schriftstellers zu. Am Rand der Box liegt auf einem Beistelltisch ein einzelner Pulswärmer, grau und blau gestreift. Es war ein Weihnachtsgeschenk seiner Mutter. "Es gibt einen Brief und da steht: Ein Pulswärmer, blau, möglichst eng. Das war sein Wunsch und genau so hat seine Mutter es dann umgesetzt. Borchert hatte sich bei seinem ersten Frontaufenthalt den Mittelfinger der linken Hand weggeschossen, vermutlich Selbstverstümmelung, damit er nicht weiter im Krieg sein musste. Vielleicht war deshalb die linke Hand besonders anfällig und deswegen nur der Pulswärmer für die linke Hand", vermutet Ulmer.

Borchert schrieb vor allem im Krankenbett

Erstaunlich klein ist auch der Schreibtisch des Schriftstellers, der inmitten der Vitrine steht. Die großen Werke des Schriftstellers sind daran jedoch nicht entstanden, sagt Ulmer: "Seine Werke hat er vor allem im Krankenbett geschrieben, was wir hier nicht haben. Borchert war schwer lädiert aus dem Krieg wiedergekommen, mit einem schweren Leberschaden. Er hatte fast ständig Fieber, konnte deshalb auch nur im Bett liegen und hat im Bett auch seine meisten Geschichten geschrieben."

Ein halbes Jahr - so lange hat es gebraucht, die "Borchert-Box" aufzubauen und einzurichten. Das Ergebnis ist liebevoll und informativ. Ein wahres Highlight steht aber davor: Der "Borchert-Bot", ein kleiner, fast unscheinbarer Automat, der auf Knopfdruck Gedichte im Stil von Borchert schreibt. Auf Kassenzetteln ausgedruckt kann man sie sogar mit nach Hause nehmen.

Noch allerdings ist die Staatsbibliothek und damit auch die "Borchert-Box" aufgrund der Pandemie geschlossen. Schon jetzt aber lohnt sich ein Blick in die virtuelle Ausstellung.

Kontakt:

Referat für Öffentlichkeitsarbeit


Dr. Konstantin Ulmer
E-Mail: konstantin.ulmer@sub.uni-hamburg.de
Telefon: +49 40/42838-5918

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