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Samstag, den 19.11.2016

Pressespiegel

Von Julika Pohle, DIE WELT Hamburg.

„Von Algen und Kristallen, von Plejaden und Schmetterlingen“ – Die Staatsbibliothek stellt 14 Sammlungen der Universität exemplarisch aus.

 

Platon ist tief in Gedanken versunken, offenbar hat er eine Menge Eindrücke zu verarbeiten. Ein Gipskopf des altgriechischen Philosophen steht jetzt im Zentrum der Schau „Von Algen und Kristallen, von Plejaden und Schmetterlingen. Die wissenschaftlichen Sammlungen der Universität Hamburg“. Im Ausstellungsraum der Staats- und Universitätsbibliothek (Stabi) präsentieren sich bis zum 8. Januar 14 Forschungssammlungen jeweils mit einem Vitrinenbeitrag. Staunen, erklärte der weise Platon, sei der Anfang der Erkenntnis. Angesichts der exemplarisch vorgestellten Forschungs-Gegenstände, die auf die enorme Sammlungsfülle verweisen, dürfte jeder ins Staunen geraten.

Die Schau wurde von der Zentralstelle für wissenschaftliche Sammlungen eingerichtet und von deren Leiterin Antje Zare kuratiert. „Es geht um das, was man nicht sieht und nicht weiß“, sagt die Sammlungsbeauftragte. Schließlich findet Forschung meist hinter den Kulissen statt. In der Schausammlung des Zoologischen Museums etwa, hier vertreten durch eine Schneeeule, ist nur ein Bruchteil der mehr als zehn Millionen Objekte zu sehen; mit acht weiteren Sammlungen arbeiten Wissenschaftler und Studenten.

40 Sammlungen nennt die 1919 gegründete Universität insgesamt ihr Eigen. Einige davon sind nicht oder nur selten zu besichtigen, weil es an Personal fehlt oder an geeigneten Räumen. So kann etwa das Mineralogische Museum mit seinen Schätzen aus dem Weltall und dem Innern der Erde nur zweimal wöchentlich öffnen. Und die Gipsabgusssammlung des Archäologischen Instituts, zu der auch das Platon-Bildnis gehört, harrt in einer Interims-Bleibe aus. In der ehemaligen Backstube an der Grindelallee können die Abgüsse antiker Kunstwerke nach Absprache besucht werden.

Andere Sammlungen traten erst in jüngerer Zeit ins Licht der Öffentlichkeit. So eröffnete 2013 das Medizinhistorische Museum, in dem auch eine bedeutende Moulagen-Kollektion zu Hause ist. Diese Wachsmodelle von erkrankten Körperteilen wurden in der Hautklinik als Lehrmittel eingesetzt. Eine andere, optisch sehr viel ansprechender Sammlung wird derzeit digitalisiert und über das Internet frei zugänglich gemacht: das Fotoplattenarchiv der Sternwarte in Bergedorf. Gläserne Fotoplatten dienten ein Jahrhundert lang als Speicher in der Astronomie. Die Sternwarte besitzt rund 45.000 historische Himmelsaufnahmen, in der Vitrine liegt ein Bild der funkelnden Plejaden. Ebenfalls digital verfügbar sind die Bestände des Herbariums Hamburgense, das mit 1,8 Millionen Pflanzenbelegen und vielen Erstbeschreibungen von internationalem Rang ist; die Stabi zeigt eine bizarre Trampelklette, die sich an Tierpfoten festklammert und so verbreitet.

Nicht jedes Sammlungsobjekt eignet sich derart gut als Schaustück. So sind in der Ausstellung vier Fläschchen mit grünem Inhalt zu sehen: es handelt sich um Exemplare aus der Mikroalgen-Sammlung. 500 Algenstämme aus der ganzen Welt werden in Hamburg erforscht. Weil es sich um eine Lebendsammlung handelt, muss sie aufwendig gepflegt werden. „Wenn hier eine Stelle gespart wird, geht die Sammlung kaputt“, erklärt Zare. Als Sammlungsbeauftragte vertritt sie die Anliegen der Bestände und fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Ihr Ziel ist es außerdem, die Sammlungsvielfalt bekannt zu machen und ihre Bedeutung auch für die Stadt hervorzuheben.

Denn viele Sammlungen sind bürgerliche Gründungen. Sie basieren auf dem, was Kapitäne, Reeder und Kaufleute aus der Fremde mitbrachten und prägten insofern die Identität der Handelsmetropole. „Hamburg ist eine Wissenschaftsstadt. Es ist eine bürgerliche Tradition, sich mit der Welt zu beschäftigen“, sagt Zare.

Die gehorteten Schätze, zum Beispiel die weltgrößte Regenwurmsammlung aus der Zoologie, trugen bereits zur Klärung wesentlicher Fragen bei. Dicke und dünne, lange und kurze Regenwürmer aus aller Herren Länder ringeln sich als Feuchtpräparate in Gläsern und haben 1899 die Theorie der Kontinentaldrift bewiesen: Weil Regenwürmer nicht fliegen, schwimmen oder schnell laufen können, müssen weit voneinander entfernte Erdteile, auf denen verwandte Würmer leben, einst zusammen gelegen haben.

Die dreidimensionalen Objekte sind keineswegs als verstaubte Relikte zu begreifen, sondern als Begleiter der geistigen Entwicklungsgeschichte. Heute werden zum Beispiel die Verwandtschaftsbeziehungen im Pflanzenreich auf molekularer Ebene ermittelt, heute wird Energie aus Algen gewonnen, heute werden Organismen vom Grund der Tiefsee gesammelt, um jeden Winkel der Welt zu verstehen. „Forschungssammlungen sind Kristallisationspunkte des Wissens“, erklärt Zare. „Was gestern keine Frage der Wissenschaft war, kann heute oder morgen von hoher wissenschaftlicher Bedeutung sein. So könnten Sammlungen morgen, mit anderen Methoden, unter Umständen ganz andere Fragen beantworten.“

Der Blick in die Vitrinen regt dazu an, die über die Stadt verstreuten wissenschaftlichen Sammlungen zu besuchen. Zum Beispiel die Backstube, in die Platons Haupt nach Ausstellungsende zurückkehren wird. „Leben heißt beobachten“, lehrte der Grieche, dessen Schüler Aristoteles als Urvater der Wissenschaft gilt.

Kontakt:

Referat für Öffentlichkeitsarbeit


Dr. Konstantin Ulmer
E-Mail: konstantin.ulmer@sub.uni-hamburg.de
Telefon: +49 40/42838-5918

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