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Hamburg, Carl von Ossietzky

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Mittelalterliche Buchmalerei - Die drei heiligen Könige

Psalterhandschrift auf Pergament, Thüringen/Sachsen um 1220

Pergamenthandschrift mit Einband des 18. Jahrhunderts – 177 Bl. – 21,5 x 15,5 cm
Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Cod. in scrin. 85

Der mit 13 ganzseitigen Miniaturen und 11 ganzseitigen Initialen reich ausgestattete Psalter ist über die Bibliothek des Frankfurter Ratsherrn Zacharias Konrad von Uffenbach (1684-1734) in die Hamburger Bibliothek gekommen. Wo Uffenbach den Codex erwarb, ist nicht überliefert; er ist schon in dessen erstem Sammlungskatalog aus dem Jahr 1720 verzeichnet.

In der malerischen Qualität herausragend, gehört der Codex zu den besten Erzeugnissen der sog. ‚thüringisch-sächsischen Malerschule’, deren Leithandschriften aus einem Gebiet „zwischen Helmarshausen, Hildesheim, Magdeburg und Erfurt“ (Brandis 1988, 172) bereits 1897 der nachmalige Kieler Ordinarius Arthur Haseloff zusammenstellte – er hat sich ins Benutzerverzeichnis der Handschrift mehrmals eingetragen. Verbindendes Stilmerkmal dieser Handschriftengruppe ist der sog. „Zackenstil“: die Gewandfalten sind stark gebrochen, kräftig konturiert und oft „gegen die Wirklichkeit“ dargestellt. Die künstlerische Qualität strahlt in die Erzeugnisse lokaler Skriptorien dieses Einzugsgebietes nachweisbar aus.

Der Erhaltungszustand gerade der hier gezeigten „Dreikönigsminiatur“ ist nicht besonders gut. Zahlreiche Stellen der Bemalung sind gerade im unteren Bereich der Miniatur ausgebrochen. Vor allem die Thronbank ist stark in Mitleidenschaft gezogen; hier ist der Malgrund links und rechts von Maria vollständig abgeblättert, und die mit Lineal gezogenen Linien der Vorzeichnung kommen zum Vorschein.

Die Psalterhandschrift eröffnet mit einem Kalender (fol. 1v-7r), an den sich elf ganzseitige Miniaturen mit Szenen aus dem Leben Mariens und Christi anschließen – von der Verkündigung bis zu Christi Himmelfahrt –, wobei die chronologische Anordnung aufgrund von Bindefehlern gestört ist. Ab fol. 15v beginnt der Psalter, der an den Stellen der sog. Teilungspsalmen ebenfalls durch ganzseitige Miniaturenseiten gegliedert wird.

In zahlreichen Miniaturen, die insgesamt künstlerisch hochstehend durchaus verschiedenen Malerhänden zugeschrieben werden können, ist ikonographisch der Einfluß älterer byzantinischer Buchmalereien festzustellen, so etwa auch bei der hier gezeigten thronenden Madonna mit den heiligen drei Königen (fol. 10v): Maria sitzt frontal dem Betrachter zugewandt auf einer verzierten Thronbank und hält den Christusknaben, der nachdenklich auf ihrem Schoß sitzt, mit beiden Händen. Der mauvefarbene Umhang zeigt alle Charakteristiken des Zackenstils; die Gewandfalten sind durch schwarzen Kontur verstärkt. Die Miniatur steht vor einem polierten goldenen Hintergrund; kräftige blaue bzw. goldene Rahmenleisten und zwei rote Striche bilden die Einfassung der Miniatur. Abweichend von den anderen zumeist hochrechteckigen Bildfeldern wird hier das Grundschema durch dreipaßartige Bögen erweitert. Der Miniator benötigte den Platz, um die handelnden Figuren neben Maria und dem Jesuskind unterzubringen: die drei Könige bringen ihre Gaben, und ein Prophet verweist auf die Erfüllung des Alten Testaments. Diese Art der Dreikönigsdarstellung ist einigermaßen selten; meistens werden die drei Könige im Zusammenhang der Geburt Christi dargestellt und nicht mit dem ikonographischen Typus der Majestas verknüpft.

Die Könige – oben links und rechts sowie unten links – und der Prophet sind bedeutungsmaßstäblich kleiner dargestellt. Ehrfurchtsvoll neigen sie sich dem Kind und seiner Mutter zu. Wie ungewohnt selbst für den Miniator die Bildkomposition war, zeigt der fehlende Bezug zwischen dem König oben rechts, dem Kind und seiner Mutter: Obwohl der König Gaben bringt, wird er keines Blickes gewürdigt. – Auch hier verwehren es die Beschädigungen, genaueres über die Gaben der Magier zu sagen. Zwei Könige sind jung und etwa gleichaltrig dargestellt, der unten kniende König ist weißhaarig und älter.

Über die Auftraggeber des Prachtpsalters finden sich im Buch keinerlei Hinweise, aber die kostbare Ausstattung verweist sicherlich auf einen adeligen Besteller. Der Schreiber hat sich für den Kalender (fol. 1v-7r) einer französischen Vorlage bedient, diese aber nachlässig abgeschrieben; in der Litanei (fol. 177r-v) verweisen die Einträge und möglicherweise auf rheinisch-kölnischen Einfluss.

Über Jahrhunderte in Gebrauch, weist der Band zahlreiche chronologische und liturgische Nachträge verschiedener Schreiber auf, einige davon in mittelhochdeutsch; eine mittelfränkische Beichtformel (fol. 10v-11r) verweist auf den sich wiederum nach Köln orientierenden Norden Frankens als zeitweilige Bibliotheksheimat des kostbaren Buches.

Hans-Walter Stork

Expo des Monats (Januar)

Literatur

  • Arthur Haseloff: Eine thüringisch-sächsische Malerschule des 13. Jahrhunderts (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 9). Strassburg 1897.
  • Hugo Kehrer: Die heiligen drei Könige in Literatur und Kunst. Leipzig 1909, S. 150 (Abb. dieser Miniatur), 154-156.
  • Tilo Brandis: Die Codices in scrinio der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg 1-110. Hamburg 1972, S. 138-140.
  • Tilo Brandis: Zu den altdeutschen Beichtformeln. Eine bisher unbekannte mittelfränkische Beichtformel des 13. Jahrhunderts. In: Volker Honemann / Nigel Palmer (Hg.): Deutsche Handschriften 1100-1400. Oxforder Kolloquium 1985. Tübingen 1988, S. 168-178.

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