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März 2012

Detlev von Liliencron – Handexemplare zu „Poggfred“

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Liliencron-Nachlass, Signatur: LN; NL Lilien Bib

Bereits die ersten Verse aus dem „kunterbunten“ Epos „Poggfred“ von Detlev von Liliencron (1844-1909) sind Programm: „Dies ist ein Epos mit und ohne Held, Ihr könnts von vorne lesen und von hinten.“ Bei dieser Disposition erwartet den Leser ein gewisser formaler wie inhaltlicher Spielraum – und der ist auch an den im Liliencron-Nachlass der Staats- und Universitätsbibliothek aufbewahrten Textzeugen zu „Poggfred“ abzulesen. Das Schöne und Besondere an einem Nachlass kann ja – wie im Falle Liliencrons – gerade die Möglichkeit der Zusammenführung und Öffnung mehrerer (im Idealfall aller erhaltener) Textzeugen sein, die als abstrakte Quintessenz dann „den Text“ ergeben. „Poggfred“ ist zunächst einmal nur eine Ortsangabe, ein fiktiver Wohnort des Helden, das Traumschloss, von dem aus und zu dem zurück alle Episoden, Eskapaden, Visionen, Novellen und Abenteuer münden, die Liliencron bei aller Leichtigkeit in mitunter superbe Verse zu gießen versteht. Geschichten aus Alltag und Historie, gespeist aus Phantastik und Mythologie entwickeln sich dabei nicht nur innerhalb eines Poggfred-Gesanges. Auch innerhalb des Umfangs von einer Strophe kann Liliencron in einer Art narrativem Telegramm eine ganze kleine Erzählung entwerfen. Diese Virtuosität in der Darstellung erzählerischer Inhalte macht Liliencrons unbekanntes Hauptwerk zu etwas ganz Besonderem.

Expo des Monats (März)

Dass der Text aktuell in Walter Hettches Auswahledition „nur“ in seiner ersten Fassung „in 12 Cantussen“ aus dem Jahr 1896 greifbar ist und an eine historisch-kritische Edition in diesem Zusammenhang auch nicht zu denken war, liegt an der verwickelten Entstehungsgeschichte und reichen textgenetischen Überlieferungslage. Neben etlichen erhaltenen Cantus-Entwürfen und -reinschriften sind hier vor allem die Handexemplare von Interesse. In ihnen dokumentieren sich am eindringlichsten Liliencrons Änderungen und Umstellungen im Rahmen der Weiterarbeit am Text: so wurden nicht nur immer wieder einzelne Formulierungen verändert, sondern ganze „Cantusse“ umgestellt oder eingeschoben. Das Ergebnis war eine erweiterte Fassung in zunächst 24 (1904), später in 29 „Cantussen“ (1908). Der Widmung des Werkes – „Meinem Freunde Richard Dehmel zugeeignet“ – entspricht die Setzung von einem jeweils kurzen Dehmel-Zitat als Motto für jeden Cantus. Doch war Dehmel auch textlich in die Entstehung des Poggfred involviert, da Liliencron seinem Freund neu entstandene Gesänge zur Korrektur überließ. Im Dehmel-Nachlass befindet sich deshalb neben vielen Briefzeugnissen nicht nur der ein oder andere Poggfred-Cantus, sondern auch ein Poggfred-Exemplar, das dem Freund handschriftlich gewidmet ist und in welches Dehmel selbst Korrekturen mit kommentierenden Anmerkungen eintrug, die Liliencron zum Teil in die nächste Ausgabe übernahm. Die text- und werkgenetischen Vernetzungen greifen hier also auch über den einzelnen Nachlass hinaus und verlinken auf diese Weise die Dichternachlässe untereinander.

Mark Emanuel Amtstätter

Literatur

Detlev von Liliencron, Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Walter Hettche. Neumünster 2009.

Ernst Loewenberg, Studien zu Liliencrons Poggfred. Masch. Dissertation. Hamburg 1921.

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