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Hamburg, Carl von Ossietzky

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Februar 2012

Esther-Rolle (Megillat Esther) zum Purim-Fest.
Pergament-Rolle mit Buchmalerei.
Osteuropa, Beginn 18. Jahrhundert.


28 x 372 cm; aufgerollt über gedrechseltem Holzstab, der an den Griffen farbig verziert ist.

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Cod. hebr. 345

Die SUB Hamburg verfügt in ihren Sammlungen hebräischer Handschriften (Cod. hebr. bzw. Cod. Levy) über insgesamt 16 Esther-Rollen, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert zu datieren sind und die aus dem gesamten europäischen Raum stammen.

Expo des Monats (Februar)

Exponat des Monats Februar ist eine wohl aus Russland stammende Esther-Rolle, die sich bislang einer genauen Datierung und Lokalisierung entzieht.

Wie bei den Tora-Rollen haben auch die Esther-Rollen die ursprüngliche antike Form des Buches bewahrt. Blieben die in der Synagoge verwendeten Esther-Rollen nach den Schreibvorschriften schmucklos, durften die für den Gebrauch in der Familie künstlerisch ausgestaltet werden, wie manchmal zu lesen ist, auch deswegen, da im gesamten Buch Esther der Name Gottes nicht vorkommt und man also mit dem Gebot, den Namen Gottes nicht unnütz in seiner Rede zu führen, sowie dem Bilderverbot nicht in Konflikt gerät. Illuminierte bzw. durch eingeklebte Kupferstiche verzierte Esther-Rollen treten ab dem späten 16. Jahrhundert auf, zunächst in Italien.

Expo des Monats (Februar)

Das Purimfest erinnert an die Rettung der Juden in Persien zur Zeit des Großkönigs Xerxes (486-465 v.u.Z.). Haman, der Großwesir des Xerxes, plante die Vernichtung der Juden im gesamten Persischen Reich. Durch ein Losverfahren (purim) ermittelte er den günstigsten Tag für die Untat, nämlich den 13. Adar. Dieser Plan wurde durch Esther, eine jüdische Gemahlin des Xerxes, und ihren Onkel Mordechai aufgedeckt und vereitelt; eine Verfolgung der Juden fand nicht statt. Haman und seine zehn Söhne wurden hingerichtet. – Das Purimfest, dessen Feier bereits im Estherbuch selbst gefordert wird („So dass diese Tage erinnert und begangen werden in jeder Generation, jeder Familie, jeder Provinz und jeder Stadt und dass diese Tage von Purim nicht vergessen werden unter den Juden, noch die Erinnerung an sie schwindet unter ihren Nachkommen [Es 9, 28]), ist immer schon Anlass zu ausgelassener Freude und großen Feiern in der Familie und im Gottesdienst. Während des Gottesdienstes in der Synagoge wird die Rolle mit dem Text des Buches Esther vollständig vorgelesen und dabei zur Gänze entrollt. Ausnahmsweise dürfen auch Frauen die Lesung vortragen, da Esther so großen Anteil an der Rettung der persischen Juden hatte.

Expo des Monats (Februar)

Die hier erstmals ausgestellte Esther-Rolle, eine von mehreren in der Hamburger Hebraica-Sammlung, kam im Jahr 1906 als Schenkung in die Bibliothek (Zugangs-Nr. 1906-442). Bislang unpubliziert, lautet der handschriftlich eingetragene Provenienzvermerk auf der Rückseite: „Das Buch Esther. Hebräische Handschrift des XVII. Jahrhunderts. Aus der Bibliothek des Fürsten Wassili Sergeewitsch Trubetzkoi in Znamenskoe (Provinz Moskau, Kreis Podolsk). Fürst W. S. Trubetzkoi, gestorben am 11. Februar 1841, war General der Kavallerie, Mitglied des Russischen Reichsraths, Ritter des St. Alexander Newsky Ordens und des St. Wladimir Ordens Ier Classe, war mit der Prinzessin Catharina Biron von Curland verheiratet. Er war Freimaurer. In seiner Jugend war er ein Kammerherr der Kaiserin Catharina II. Er hat an allen Kriegen gegen Napoleon in den Jahren 1805-1815 teilgenommen. Der Sohn des Fürsten W. S. Trubetzkoi hat das Gut Znamenskoe mit der Bibliothek circa 1862 an Geheimrath J. P. v. Schablykin verkauft, von dem 1882 S. v. Argeniew, Kais. Russischer Minister-Resident in Hamburg, diese Handschrift erhalten hat.“ Somit darf eine Herkunft des Manuskripts aus Osteuropa angenommen werden, wozu auch die Buchmalerei passt.

Die Rolle ist aus sieben Pergamentbögen von annähernd 50 cm Breite und 28 cm Höhe zusammengesetzt und erreicht eine Gesamtlänge von 3,72 m, wobei die schmalen Enden der Pergamentstreifen auf die Breite von einem Zentimeter umgeschlagen sind, um damit den Fäden, mit welchen sie im Zickzackstich zusammengenäht sind, besseren Halt zu geben.

Expo des Monats (Februar)

Die Textkolumne ist in der Mitte der Rolle plaziert. Jeweils zwei Kolumnen à 17 Zeilen bilden eine Einheit; dazwischen stehen Zierstreifen, die marmorierte Säulen darstellen. Die Schrift ist eine sehr sorgfältige Quadratschrift ohne Vokalisationen. Oberhalb und unterhalb des Schriftblocks verläuft (im Verhältnis 1:2:1 von Text und Bild) vom Anfang bis zum Ende der Rolle ein Bilderfries, der einerseits die manchmal drastischen Episoden aus der Esthergeschichte ins Bild setzt und andererseits feiernde, tanzende und musizierende Menschen zeigt. Die Zeichnungen sind in schwarzer Tinte angelegt und in kräftigen Farben – rot, blau und grün sind vorherrschend – koloriert. Ein großer Künstler war der Illuminator nicht, aber die Zeichnungen sprechen durch ihre Thematik und die lebhaften Farben an.

Hans-Walter Stork

Literatur


Ausstellung Hamburg 2011/2012: „Manuskriptkulturen / Manuscript cultures“. Hg. von Jörg Quenzer. Nr. 4 des Newsletters manuscript cultures anlässlich der Ausstellung „Faszination Handschrift: 2000 Jahre Manukriptkulturen in Asien, Afrika und Europa“ in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg vom 17. November 2011 bis 8. Januar 2012. Hamburg 2011, S. 43f.

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