FAQ
© 2024 Staats- und Universitätsbibliothek
Hamburg, Carl von Ossietzky

Öffnungszeiten heutegeschlossen alle Öffnungszeiten Leichte Sprache

April 2013

Historiae Romanorum – Geschichte der Römer


Pergamenthandschrift. Rom, um 1280. 125 Bl.: 83 Miniaturen.
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Handschriftensammlung, Signatur Cod. in scrin. 151
Expo des Monats (April)

Historiae romanorum

ist eine Kompilation der römischen Geschichte betitelt, die wahrscheinlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Rom zusammengestellt wurde. Auf Rom konzentriert, beginnt die Schilderung der erwähnenswerten Begebenheiten aus der Geschichte der Römer mit der Erschaffung Adams, erzählt vom Trojanischen Krieg, berichtet ausführlich über die Gründung Roms und stellt in episodenhaften Reihung historische Ereignisse von der frühesten republikanischen Zeit bis zu Kaiser Heraklius im 7. Jahrhundert dar. Wer der Kompilator der Chronik war, ist nicht bekannt.
Ursprünglich wurde das „Geschichtenbuch der Römer“ in lateinischer Sprache verfasst. Nur eine einzige Handschrift dieser Version blieb erhalten: der Florentiner Codex Laur. Strozzi 85. Relativ bald wurde der Text ins Italienische – genauer: ins römische Volgare übertragen. Von dieser volkssprachigen Textfassung sind nur drei etwa zur gleichen Zeit entstandene Handschriften bekannt: die hier vorzustellende Hamburger Handschrift und zwei Codices in Florentiner Bibliotheken (Biblioteca Laurenziana, Cod. Gaddiano 148; Biblioteca Riccardiana, Cod. 2034).
Expo des Monats (April)

Der Hamburger Codex ist der einzige mit einem ausführlichen Bilderzyklus zum Text. Auf den 125 Blättern der kleinen Handschrift finden sich insgesamt 83 Miniaturen, manche halbseitig, die meisten ganzseitig. Damit ist der Hamburger Codex der ausführlichste – wenn nicht der einzige – nichtsakrale oder anders ausgedrückt einem profanhistorischen Thema gewidmete Bilderzyklus in der italienischen Kunst des Dugento. Entstanden ist die Handschrift in den Jahren um 1280 in einem Skriptorium der Stadt Rom.
Die erzählfreudigen Miniaturen sind mit feiner Feder konturiert und rot, blau, grün, orange und in verschiedenen Brauntönen laviert. Kurze Beschriftungen machen den Inhalt der Szenen klar. Viele Szenen sind eigens für den Band ersonnen und ohne Vorbilder in früheren Bilderzyklen, oder diese sind nicht bekannt.

Die aufgeschlagene Doppelseite fol. 120v / 121r schildert drei Episoden aus der Geschichte des frühen Christentums unter Kaiser Konstantin dem Großen und Papst Silvester. Auf der linken Seite im oberen Bildstreifen wird gezeigt, „wie der heilige Silvester Constantinus taufte und wie dieser von der Lepra gereinigt wurde“ – Como sancto siluestro bapiçao constantino et fo mundato da lepra. Lepraübersät sitzt Konstantin – nackt, aber mit goldener Krone! – mit über der Brust gekreuzten Händen in einem großen, kelchförmigen Taufbecken. Papst Silvester hat unerschrocken seine Linke auf des Kaisers Schulter gelegt und tauft ihn segnend. Rechts stehen zwei Soldaten, der vordere mit einem Umhang, der hintere mit einem Schild, der die bekannte Abkürzung SPQR trägt. Nur eine Bodenwelle trennt die Szene von der unteren. Hier ist die sog. ‚Konstantinische Schenkung‘ Thema: „Wie Constantin ihm [also Silvester] den weißen Zelter, die Tiara und den Baldachin schenkte – Como constantino li dunao lo pallafreno bianco et lo regno et lo sonechio. Wichtigstes Herrschaftszeichen des Papstes seit dem Frühmittelalter ist die Tiara, die hier wie mit Flechtkaros gemustert erscheint. Das weiße Paradepferd, der Zelter, wird von Silvesters Diener am Zügel herangeführt; der Stratordienst ist angesprochen. Konstantin kniet vor dem Papst, der als Würdezeichen ein Pallium trägt.
Der Bildstreifen auf fol. 121r berichtet, „wie Constantinus die Kirche des heiligen Petrus und des heiligen Paulus erbaute“ – Como constantino edificao la ecclesia de sancto petro et paulo. Rechts eine stufenförmige Architektur, auf deren einzelnen Etagen Arbeiter mit Baumaterial in Körben hochschaffen. Links wird Kaiser Konstantin gezeigt, der auf seiner linken Schulter einen großen Korb mit Mörtel – Baumaterial für die von ihm gegründeten Kirchen! – trägt.

Expo des Monats (April)

Die Historiae Romanorum berichten in Text und Bild diese Szenen aus der Vita Konstantins des Großen. Dass sich die „konstantinische Schenkung“, durch welche die Papstkirche ihre auch territoriale Vormachtstellung in Rom und den angrenzenden Bistümern, ja sogar darüber hinaus, ableitete, als eine Fälschung herausstellte, konnte als erster Kardinal Nikolaus von Kues im Jahr 1433 aufzeigen. In der Entstehungszeit der Hamburger Historiae Romanorum-Handschrift, die durch ihre äußere Gestaltung als kleinformatiger Codex mit sorgfältig geschriebenem Text und detailreichen Buchmalereien auffällt, gehörten die Schilderungen aus dem Leben Konstantins in den Kanon der „Taten der Römer“. Zwei Generationen früher, um 1250, wurden die Szenen der Taufe Konstantins und der Schenkung in den Wandfresken der Silvester-Kapelle bei der Kirche Santi Quattro Coronati unweit des Kolosseums dargestellt. Der Buchmaler unserer Handschrift mag die Fresken gekannt und als Vorbild genommen haben.

In die Hamburger Bibliothek kommt der Codex über die Sammlung des Frankfurter Patriziers Zacharias Konrad von Uffenbach (1683-1734). Es könnte sein, dass der jüngere Bruder von Zacharias Konrad, nämlich Johann Friedrich Armand von Uffenbach, sie im Jahr 1715 während eines längeren Romaufenthaltes anläßlich seiner „Grand tour“ in Rom erworben hat, vielleicht aus der Bibliothek des Gelehrten Giovanni Giustino Ciampini (1633-1698).

Der Codex selbst gibt kaum Einzelheiten aus seiner Geschichte preis. Auf fol. 3 kann man Reste eines Eintrags ausmachen, die, sehr verblasst, nicht mehr vollständig zu lesen sind, aber wenigstens einige Namen und ein Datum offerieren. Ein Bediensteter der Herzogin Margarete von Parma und Piacenza (1522-1586) schenkte den Band einem Beamten Remo(ndus), seinem Vorgesetzten.

Diesen für die römische Stadtgeschichte so wichtigen Band hatte der italienische Philologe Ernesto Monaci (1844-1918) durch den Hamburger Bibliothekar Gustav Meyncke (1873-1875 Sekretär an der Stadtbibliothek) kennengelernt und 1889 in einem ersten Beitrag der gelehrten Welt ausführlich vorgestellt. Heute undenkbar, hatte Monaci erreicht, dass ihm der kostbare Originalband zur Bearbeitung nach Rom geschickt wurde. Er hatte sogar Vorstöße unternommen, die Handschrift für Rom zurückzuerwerben, hatte damit aber keinen Erfolg. So ließ er das Original komplett fotografie-ren und auf Grundlage der Fotos zwei Faksimile-Drucke auf Pergament herstellen, wovon einer handkoloriert ist; beide befinden sich im Archivio Storico Capitolino in Rom (Sign. 17454).

Im Jahr 1974 veranstaltete der Propyläen-Verlag Berlin eine originalgetreue Faksimileausgabe des Bandes; der Kommentar zum Faksimile wurde von Tilo Brandis (damals Handschriftenbibliothekar der SUB Hamburg) und dem Kunsthistoriker Prof. Otto Pächt verfasst (SUB HH: HS 4c / 802).

Hans-Walter Stork

Kontakt:

Öffentlichkeitsarbeit

Veranstaltungen
E-Mail: pr@sub.uni-hamburg.de