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Hamburg, Carl von Ossietzky

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April 2012

Die Hamburger Nachrichten – fast 150 Jahre Hamburger Zeitungsgeschichte

In den 147 Jahren ihres Bestehens sind die Hamburger Nachrichten nie die auflagenstärkste, aber stets eine der wichtigsten Zeitungen der Hansestadt gewesen. Die Wandlungen dieser Zeitung im Inhalt wie in der äußeren Gestalt verdeutlichen exemplarisch einige Basisprozesse der Pressegeschichte seit dem späten 18. Jahrhundert.

Gegründet wurde die Zeitung 1792 von Johann Heinrich Hermann, dem Verleger des fünf Jahre älteren Hamburger Adressbuchs. Sie erschien seit dem 29. Februar 1792 zunächst als reines Intelligenzblatt, d.h. als Anzeigenblatt mit einigen unterhaltsamen Meldungen, Geschichten, Varia et Curiosa. Es hatte u.a. in den Hamburgischen (1767-1846) und den Altonaer Adress-Comtoir-Nachrichten (1773-1855) als florierenden Intelligenzblättern starke Konkurrenz. Der Titel lautete nach Genehmigung eines Senatsprivilegs vom 3. August 1793 bis Mitte 1849 Privilegirte wöchentliche gemeinnützige Nachrichten, unterbrochen von der "Franzosenzeit", als das Blatt vorübergehend zweisprachig als Affiches, annonces et avis de Hambourg erschien. 1814 ging der 1673 von Thomas von Wiering gegründete Relations-Courier in den Gemeinnützigen Nachrichten auf. Seit dem 2. Juli 1849 waren es dann die Hamburger Nachrichten - Morgenzeitung für Politik, Handel und Schiffahrt, Organ für Hamburgische Angelegenheiten, Anzeiger, wobei die Untertitel sehr bald entfielen.

Nach dem Tod des Gründers 1821 unterzog Hermanns Schwiegersohn Ambrosius Heinrich Hartmeyer, in dessen Familie das Blatt über vier Generationen bis zum Ende verblieb ("Verlag Hermann's Erben"), seine Zeitung einer allmählichen Profilerweiterung. Seit 1828 hielten „Politische Meldungen“, "Politische Nachrichten" und Korrespondenzen Einzug, Anfang der 1830er Jahre rasch zunehmend lokale Nachrichten und Diskussionsbeiträge, vor allem „Eingesandtes“. Die als Beilage konzipierten Vaterstädtischen Blätter entwickelten sich seit 1833 zu einem lebendigen kommunal(politisch)en Forum. Der Übergang eines Intelligenzblatts zur politischen Zeitung, die Entwicklung einer großstädtischen Lokalzeitung, eine deutliche Zunahme des Umfangs, die sich in mehreren Formatvergrößerungen in den 1840/50er Jahren niederschlug: das waren typische Entwicklungen des Vormärz, denen nach der Revolution 1848 quantitativ wie qualitativ weitere mit großer Dynamik folgten.

Seit der Berufung des Schriftstellers Robert Heller zum Feuilletonredakteur 1851 wurde dieser Bereich zum Markenzeichen der Nachrichten. Unter anderen schrieben hier Levin Schücking, Friedrich Gerstäcker, Rudolf Gottschall und F.W. Hackländer. Es kam in einem sich auffächernden Mediensystem zu einer merklichen Politisierung und Parteinahme, Anfang der 1880er Jahre zu einer Wendung von einer liberalen politischen Ausrichtung – man ordnete die Nachrichten dem linken Flügel der Nationalliberalen Partei zu – hin zu einer protektionistischen, monarchisch-regierungs- und vor allem Bismarck-treuen Haltung. Berühmt wurde dann die singuläre Rollenübernahme des Verlegers Heinrich Emil Hartmeyer, er habe Bismarck nach dessen Entlassung 1890 "das gesamte weisse Papier der Hamburger Nachrichten zur Verfügung gestellt" – was der leitende Politikredakteur Heinrich Hofmann in engstem Kontakt nach Friedrichsruh ausführte. Sprachrohr Bismarckscher Politikdevisen blieben die Nachrichten auch noch weit über das Jahr 1898 hinaus. Nach der Jahrhundertwende waren sie mehr und mehr nationalistisch, rechtsgerichtet, in der Weimarer Republik Kaiserreich-nostalgisch, national-konservativ mit relativ deutlicher Bindung an die Positionen der DNVP, antisemitisch, extrem SPD-feindlich ausgerichtet; der Verlag blieb bis zum Ende der Zeitung selbständig, stand aber in enger Anlehnung an den Hugenberg-Konzern in vielfältigen Abhängigkeiten. Nach der Reichstagswahl des Septembers 1930 und einer geheimen Richtungsabstimmung in der Redaktion wurden die Nachrichten offen nationalsozialistisch. Dabei war ihre Leserschaft deutlich bürgerlicher als die der NSDAP-Parteizeitung Hamburger Tageblatt, doch gerieten die Nachrichten kommerziell durch die Konkurrenzsituation unter starken politischen und durch rückläufige Anzeigenerlöse auch unter übermächtigen kommerziellen Druck. Unter teilweiser Übernahme des Personals durch das Tageblatt wurden die Nachrichten einigermaßen überstürzt per 9. März 1939 eingestellt und die Leser an das Tageblatt verwiesen.

Das inhaltliche Wachstum hatten die Hamburger Nachrichten im 19. Jahrhundert lange Zeit versucht, durch Formatvergrößerungen abzufangen. Als Maximum war seit Juni 1857 das sechsspaltige Format der Times erreicht, das mit einem Satzspiegel von 46 x 58 cm noch über das größte sonst in Deutschland übliche, das Nordische Format (37 x 53 cm) hinausging und erst 1907 auf Wunsch der Leserschaft moderat zurückgefahren wurde. Am 20. Dezember 1876 ging die Zeitung zum zweimal täglichen Erscheinen in Morgen- und Abendausgabe über. Eine 1902 vollzogene Teilung der Morgenausgabe in zwei Versionen, deren erste am Vorabend per Bahn an die auswärtigen Abonnenten ging, blieb ein vorübergehendes Experiment in einer Zeit, als der Jurist Hermann Hartmeyer die Verlagsleitung übernommen hatte und diverse Modernisierungsimpulse gab. Daneben gab es seit 1884 eine für das Ausland bestimmte Wochenausgabe.

Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem nach der Jahrhundertwende wurde das Erscheinungsbild der Zeitung belebt durch etliche thematische Beilagen, zum Teil von erheblicher Lebensdauer. Unter anderem gab es seit 1887 die Belletristisch-literarische Beilage, die nach der Jahrhundertwende geschaffenen 5 Uhr Ausgabe, Verlosungs- und Restantenlisten, ein Verkehrsblatt und Eisenbahnfahrplan, eine Offsetdruckbeilage (später: Bilderrundschau), die Zeitschrift für Wissenschaft, Literatur und Kunst als Sonntags-Ausgabe und die Weihnachtsbeilage; in den 20er Jahren kamen außerdem die Hamburger technische Nachrichten als Wochenschrift hinzu sowie der Wochenspiegel, in den 30ern schließlich u.a. der Frauenspiegel und die Hamburger Woche als illustrierte Zeitschrift der Hamburger Nachrichten. 1919 hatte der Verlag zusätzlich die H.N. am Mittag als ein reines Straßenverkaufsblatt gegründet, desgleichen die H.N. am Montag, beide vor allem als frühe Sportzeitungen bedeutend.

Eine Besonderheit dieser Zeitung war schließlich die seit 1884 bestehende, für das Ausland bestimmte Wochenausgabe. Sie war unter anderem bei deutschen Exportkaufleuten so gut eingeführt, dass kurz nach Kriegsausbruch 1914 ein Hamburger Südamerika-Exporteur eine Zeitung in spanischer Sprache unter dem Titel der Hamburger Nachrichten anregte. Dies wurde vom Verein Hamburger Exporteure unterstützt, der mit einem HN-Redakteur als Berater eine ehrenamtlich arbeitende „Pressekommission“ bildete. Sie gab vom 15.9.1914 an zunächst zweiwöchentlich, ab 15.12.1915 wöchentlich die spanische Ausgabe heraus, die seit dem 5. Mai 1915 El Heraldo de Hamburgo hieß und als selbständiges Unternehmen in einer GmbH - nicht als nur übersetzte Hamburger Nachrichten - bis 1924 existierte. Der Erfolg veranlasste im selben Verein auch den Wunsch nach einer portugiesischen Ausgabe, die in gleicher Organisationsform vom 25.10.1914 an vierwöchentlich, seit 1.5.1915 zweiwöchentlich bis 1917 erschien, zuletzt als O Mensageiro de Hamburgo - Hamburger Nachrichten.

Ulrich Hagenah

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